Wenn man bedenkt, dass für jeweils zwei Einwohner Thüringens ein Schwein gehalten werden muss (Pro-Kopf-Verzehr 35,7 kg p. a.), wurde es wohl Zeit für einen eigenen Schweinegipfel. Am 15. Mai fanden sich dann auch 200 Teilnehmer zur ersten Veranstaltung dieser Art ein. Von den insgesamt 222 Schweinhaltern Thüringens hatte sich also offensichtlich der größte Teil auf den Weg nach Waltershausen gemacht.
93% der Thüringer Sauen werden in Betrieben mit weniger als 500 Tieren gehalten und 85% der Mäster haben weniger als 2.000 Stallplätze, aber es gibt auch einige Großbetriebe in der Ferkelerzeugung. Knapp ¾ der Höfe bieten ihren Schweinen den gesetzlich vorgeschriebenen Platz an, ¼ nimmt an der Initiative Tierwohl teil und stellt 10% mehr Platz zur Verfügung und etwa 1% entfällt auf Bio-Betriebe.
Wie ihre Berufskollegen in anderen Bundesländern auch, sorgen sich Thüringer Bauern um ihre Zukunft. Der Endtermin für die betäubungslose Ferkelkastration steht fest, doch welche Lösung sie wählen sollen, wissen viele Ferkelerzeuger noch nicht. Auch beim Um- oder gar Neubau von Ställen herrscht Unsicherheit: wie soll der weitgehende Verzicht auf die Fixierung von Sauen baulich am besten umgesetzt werden. Für diese Problemfelder forderte Andre Telle, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Thüringen, für seine Berufskollegen Planungssicherheit und fachliche Unterstützung.
Er verwies auch auf die erheblichen Zusatzbelastungen durch den Thüringer Filtererlass für bestehende große Anlagen und die dort geforderte Nachrüstung mit Abluftwäschern zur Verringerung der Ammoniak- und Geruchsemissionen. Gegenüber einem Stallneubau könnte die Investitionen um das 2- bis 3-fache höher ausfallen, je nach Produktionsrichtung. Die Stückkosten je Tier wüchsen, über die gesamte Produktionskette, um etwa € 15,- pro Jahr. Weil die Thüringer Schweinehalter diese Zusatz-Belastung durch den Markt nicht refinanziert bekämen, müsse es einheitliche Lösungen für Deutschland und Europa geben, forderte Telle.
„Fleisch – (k)ein Lebensmittel mit Zukunft“
In einem spannenden Vortrag beleuchtete Prof. Ulrike Weiler (Uni Hohenheim) das Lebensmittel Fleisch aus verschiedenen Blickwinkeln. Auch wenn der Markt für Fleischersatzprodukte jährlich um 18% steigt, pendelt der Fleischkonsum in Deutschland seit Jahren um die 60 kg pro Kopf und Jahr. Schwein verliert zwar tendenziell gegen Geflügel, liefert aber immer noch den Löwenanteil der tierischen Proteine.
Gerade der Verzehr von „rotem Fleisch“ sei in der Vergangenheit oft mit Gesundheitsgefahren in Verbindung gebracht worden, führte die Wissenschaftlerin aus. Heute aber rede z. B. keiner mehr über das „böse“ Cholesterin. Zwar gäbe es eine Korrelation zwischen hohem Fleischkonsum und gesteigerter Krebsanfälligkeit, die aber gelte genauso für den Unfalltod. Nicht „viel-Fleisch-essen“ sei der Grund für höhere Krankheitsanfälligkeit, sondern viel mehr der gesamte Lebensstil.
Über die Gesundheitsgefahren durch Fleisch-Verzicht, wie etwa Mangelerscheinungen, werde leider eher wenig geredet. Und allen die Angst vor Rückständen im Fleisch haben, empfiehlt Ulrike Weiler den Blick in den nationalen Rückstandkontrollplan. Der zeige nämlich, dass verschiedenste Rückstände in Wild, Honig und Gemüse weit höher ausfallen als in Fleisch.
Auch auf die Zielkonflikte zwischen Tierwohl. Umweltschutz und Genusswert ging die Professorin ein. Werde heute über tiergerechte Haltung gesprochen, denke kaum jemand dabei ans CO2. Bei Mutterkuhhaltung fallen je Kilo Schlachtgewicht 27,3 kg CO2EQ an, bei der Bullenmast aber nur 16,0 kg. Bei Rinderhaltung auf der Weide und 500 g Tageszunahme (ohne Kraftfutter) fallen 28,9 kg CO2EQ an. In der Stallhaltung mit Maissilage, Kraftfutter und 1.500 g Tageszunahme aber nur 7,0 kg CO2EQ.
Klimarelevant im Schweinestall sind vor allem Methan und Lachgas. Je Tierplatz und Jahr werden so aber ganz unterschiedliche Mengen von CO2 Äquivalenten (EQ) produziert. Auf Vollspalten 92,0 kg Methan und 29,6 kg Lachgas, bei Tiefstreu aber 80,5 kg Methan stolze 740,0 kg Lachgas!
Auch wenn man Genusswert und Klimabelastung gegenüberstellt, schneidet das edle Kobe-Rind eher schlecht ab. Je Kilo Schlachtgewicht produziert es 36 kg CO2EQ, verglichen mit nur 16 kg CO2EQ beim Mastbullen aus der Milchlinie. Moderne Mastschweine schlagen mit 3,3 kg CO2EQ zu Buche, das Wildschwein dagegen mit 10,2 kg CO2EQ.
Wer all dem entgehen möchte und lieber zum Kunstfleisch greift muss schließlich wissen, dass, neben Rinderstammzellen, zu dessen Herstellung u. a. ein Medium aus Hydrolysat von Cyanobakterien als Substrat, ein paar Wachstumsfaktoren/Hormone und natürlich Antibiotika von Nöten sind. Und auch der Burger aus pflanzlichem Fleischersatz hat seinen Blutgeschmack nur, wenn ihm Leghamoglobin als Hämoglobin-Ersatz beigemischt wurde.