Mehrzahlungsbereitschaften – Befragungsergebnisse und die Einkaufsrealität

Prof. Dr. Ulrich Enneking

Im Oktober fand an der Uni Götingen die 2. Tierwohltagung statt, unter dem Titel „Transformationsprozesse der intensiven Nutztierhaltung – was wollen, können und müssen wir ändern?“

Dort hielt Prof. Dr. Ulrich Enneking (Hochschule Osnabrück) einen Vortrag zu „Mehrzahlungsbereitschaften – Befragungsergebnisse und die Einkaufsrealität“. Anlass Ernährungsreport des BMEL, nach dem jeder 2. Deutsche 20 bis 50 % mehr für Fleisch bezahlen würde, wenn es aus einer besonders tierfreundlichen Haltung stammt.

Der Wissenschaftler führte dazu bei EDEKA Verkaufsexperimente mit drei Produkt-Kategorien und drei Marken durch. Insgesamt wurden so neun verschiedene Produkt-Konzepte getestet. Zwischen „Gut & Günstig“ und „Bio“ wurde eine neue Marke „Tierwohl“ platziert. Unterstützt mit einem Flyer und einem Aufsteller, in denen die drei verschiedenen Haltungskonzepte visualisiert wurden.

Das Neu-Produkt erreichte im Test einen Verkaufs-Anteil von 16%. Kein überwältigendes, aber auch schlechtes Ergebnis, meinte der Professor, dafür dass es weder TV- noch Radiowerbung gab.

Befragungsergebnisse und Einkaufsrealität
In Befragungen würde das zu erforschende Kriterium ständig wiederholt und ins Zentrum gestellt. In der Realität spielten dann aber andere Faktoren (z. B. die Gewohnheit) eine größere Rolle, sagte der Referent. Auch führten Befragungen zu einer Überinformiertheit, die im Alltag im Informations-Overload untergehe. Ganz allgemein, weil der Konsument schlicht andere Dinge im Kopf habe, als ausgerechnet „Tierwohl“. Wenn er oder sie aber tatsächlich mit dem Vorsatz einkaufen geht, dieses Mal speziell aufs Tierwohl zu achten, helfen die bisherigen Label nicht unbedingt bei der Kaufentscheidung. Weil keine Detail-Informationen am Point of Sale zur Verfügung stehe und; Wer scannt schon am Fleischregal einen QR-Code und studiert dann die entsprechende Website?

Die Vielzahl der technischen Rahmenbedingungen in ein Produkt-Konzept zu überführen sei hier das Problem. Nötig wäre eine „Informations-Plus-Strategie“, die Information emotional erfahrbar macht und Marken, die das Belohnungssystem im menschlichen Hirn ansprechen und weniger den Verstand. Also z. B. „Strohschwein“ statt „Tierwohl“ aufs Label. Es gälte also den Inhalten der Marke „Tierwohl“ ein passendes Marken-Image zu verschaffen, das Konsumenten emotional anspricht.

Diesem Fazit kann natürlich jeder Marketing-Fachmann nur zustimmen: genau so funktioniert Werbung. Allerdings ist die mit einigem Aufwand verbunden – zeitlich wie finanziell. Als einmal bei einer Tierwohl-Veranstaltung des „agrar + ernährungsforum Oldenburger Münsterland“, ein Teilnehmer Peter Wesjohann aufforderte, „halt mal 10 Millionen in die Hand zu nehmen“, um ein Tierwohl-Siegel im Markt zu etablieren, antwortet der Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe lapidar „mit 10 Millionen erreichen Sie gar nichts“. Der Weg zum wirksamen Label dürfte also noch ein ziemlich weiter sein.

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