Von Dr. Heike Engels
Wie komplex das Zusammenspiel von Haltung, Fütterung und Immunsystem ist, konnten die Zuhörer auf der Schweinefachtagung des HANSA Landhandels in Zeven erfahren. Außerdem informierten sie sich über die Möglichkeiten der Stickstoff-Reduzierung im Futter, was vor allem in den nitratbelasteten roten Gebieten wichtiger ist denn je.
Warum der Darm nicht nur neben dem Magen das wichtigste Verdauungsorgan ist, sondern auch eine große Bedeutung für das Immunsystem hat, erklärte Prof. Dr. Hans-Joachim Schuberth von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Viele Immunzellen des Gesamtorganismus sind im Darm lokalisiert. Die Darmoberfläche ist sehr groß, denn über diese Fläche werden wertvolle Nahrungsbestandteile resorbiert. Doch gleichzeitig bietet der Darm eine großflächige Eintrittspforte für Krankheitserreger. Die Darmoberfläche wird von vielen verschiedenen Bakterien besiedelt. Diese Vielzahl an Mikroorganismen wird Mikrobiom genannt. „Dieses Mikrobiom rückt immer mehr in den Fokus der Wissenschaftler, da es vielfältige Aufgaben hat wie z. B das Futter aufzuschließen und zu verdauen, Energie zu liefern, Stresstoleranz und Wohlbefinden zu steuern sowie das Immunsystem des Organismus zu unterstützen. Daneben dient es als Wächter an der großen Kontaktfläche des Darms zwischen Außenwelt und Organismus und verhindert das Eindringen von Krankheitserregern in den Organismus“, so Prof. Schuberth.
Stress ist Gift fürs Immunsystem
Ein funktionierendes Immunsystem ist wichtig für das Wohlbefinden, es greift mit anderen Körperprozessen ineinander die sich gegenseitig beeinflussen. Es reagiert sehr empfindlich auf Stress, der die Tiere viel schlechter mit Infektionen umgehen lässt. „Ist das Immunsystem durch Stress und entzündliche Prozesse dauerbeschäftigt, zieht es den Tieren Energie ab, die dann für andere Leistungen wie z.B. Wachstum oder Fruchtbarkeit nicht zur Verfügung steht. Hauptenergieverbraucher sind das Gehirn und das Immunsystem, erst wenn diese gut versorgt sind stellt der Körper Energie für Muskelaufbau, Nerven usw. zur Verfügung. Außerdem verändert Stress die Funktion der Immunzellen, in der Folge führt das durch Veränderungen des Blutflusses zu einem durchlässigen Darm, auf neudeutsch „leaky gut“ genannt. Durch die Durchlässigkeit gelangen Endotoxine aus dem Darm ins Blut und führen im Körper zu entzündlichen Reaktionen, welche wiederum das Immunsystem dauerhaft belasten“, so der Professor.
Futter beeinflusst Immunsystem
Die Ernährung ist zentral in der Beeinflussung des Immunsystems, alle Krankheiten beginnen im Darm. Futter und seine Bestandteile haben vielfältige Einflüsse auf das Darm-Immunsystem. Änderungen jeder Art, z.B. Futterzusammensetzung, Futtermenge, Fütterungszeit, wirken also auf das Immunsystem und auf das Mikrobiom. Bestimmte Nahrungsbestandteile ernähren bestimmte Darmkeime, die sich dann aufgrund der guten Bedingungen vermehren können. Andere Darmkeime werden dadurch verdrängt. Je nachdem, ob das Futter gute oder schlechte Darmkeime fördert, wird das Immunsystem geschwächt oder gestärkt. „Eine vielfältige Keimzusammensetzung ist gut für das Immunsystem“, so Prof. Schuberth. Interessant sei der Zusammenhang zwischen Darm und Gehirn. „Es gibt eine Darm-Gehirn-Achse, die in regelmäßigem Austausch steht. Unruhe im Darm wird ans Gehirn gemeldet und beeinflusst dort Fresslust und Verhalten. Äußere Stressoren wiederum meldet das Gehirn über Botenstoffe an den Darm. Es ist alles mit allem im Körper verbunden. Das Immunsystem soll ruhig bleiben und gleichmäßig seine Arbeit tun, dann ist es für den Organismus am besten“, so Prof. Schuberth. Es wäre praktisch, mit einem Schnelltest das Mikrobiom bestimmen zu können, doch bislang ist dies nur aufwändig im Labor möglich. Und auch eine Liste von Futterinhaltsstoffen, die sich positiv auf das Mikrobiom auswirken, ist noch nicht vorhanden. Doch die Forschung sei dran, so Prof. Schuberth, und in einigen Jahren werde man hier sicher schon viel weiter sein.