Infektionsrisiko für den Menschen gering Zusammenfassender Forschungsbericht zum BfR-Forschungsprojekt „Charakterisierung des zoonotischen Potenzials von Rotaviren des Geflügels“ des BfR vom 17. August 2020
Rotaviren der Vögel sind in Geflügelbeständen für die Lebensmittelgewinnung weit verbreitet. Sie sind jedoch nur entfernt mit den Rotaviren verwandt, die bei Säugetieren und dem Menschen vorkommen und dort zu Erkrankungen führen. Im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten BfR Forschungsprojekt „Charakterisierung des zoonotischen Potenzials von Rotaviren des Geflügels“ zeigten Professor Dr. Reimar Johne und seine Forschungsgruppe, dass Rotaviren der Vögel mit Rotaviren der Säuger genetisches Material austauschen können, was zur Entstehung neuartiger Rotaviren führen kann. Das Risiko der Bildung derartiger, Ressortanten* genannter Virustypen in der Natur wird von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen allerdings als gering eingeschätzt. Denn vermehrungsfähige neuartige Viren traten unter Laborbedingungen nur in wenigen Fällen auf. Sie konnten sich auch nur schlecht weiter vermehren. Das Infektionsrisiko für den Menschen wird daher als relativ gering eingeschätzt. Dennoch sollten Untersuchungen zur Rotavirus-Vielfalt beim Menschen zukünftig auch weniger verwandte Rotaviren wie die der Vögel einschließen, um das Auftreten neuartiger Typen früh feststellen zu können.
Im Gegensatz zu den Rotaviren der Säugetiere waren die Rotaviren der Vögel bisher nur wenig untersucht worden. Ziel des BfR war es, die genetische Vielfalt der Rotaviren vor allem bei Vögeln zu analysieren und deren Potential zur Übertragung auf und Anpassung an Säugetiere und den Menschen zu ermitteln. Eine wichtige Frage war dabei, ob die Rotaviren der Vögel mit denen der Säugetiere genetisches Material austauschen, wobei eventuell neuartige Rotaviren entstehen könnten. Im Projekt wurde eine breite Vielfalt verschiedener bekannter sowie bisher unbekannter Rotavirus-Arten und -Typen sowohl in Vögeln als auch in Säugetieren identifiziert. Das Erbgut dieser Viren wurde mit neu entwickelten Methoden meistens vollständig sequenziert, wodurch eine genaue Charakterisierung ihrer Eigenschaften und ihrer Verwandtschaft mit bekannten Rotaviren möglich wurde. Insgesamt weisen die Analysen darauf hin, dass mit einem breiten Repertoire divergenter Rotavirus-Stämme im Tierreich gerechnet werden muss, die eventuell direkt auf den Menschen übertragen werden können oder durch den Austausch von Genomsegmenten zur Ausbildung neuer Rotaviren führen könnten. Für die Rotaviren der Vögel scheint dies allerdings nur sehr selten vorzukommen.
Rotaviren gehören zu den häufigsten Erregern von Magen-Darm-Erkrankungen beim Menschen und bei zahlreichen Tierarten. Es existieren viele unterschiedliche Rotavirus-Typen, die sich durch Mutationen und den Austausch von Genomsegmenten ständig weiterentwickeln. Erkrankungen beim Menschen werden vor allem durch humane Rotaviren hervorgerufen. Bekannt ist aber auch, dass bestimmte Rotaviren von Tieren auf den Menschen übertragen werden können und umgekehrt. Seit 2006 gibt es Impfstoffe gegen humane Rotavirus-Erkrankungen, die generell gut wirksam sind. Wenn sich jedoch neue Rotaviren ausbilden, die genetisches Material von Tieren enthalten, könnte die durch die Impfung erworbene Immunität gegenüber einer solchen Infektion unwirksam werden.
Der ausführliche Bericht ist hier zu finden
* Reassortanten sind neue Virustypen, die durch Austausch von Genomsegmenten verschiedener Ausgangsviren der gleichen Spezies entstehen.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)