Schafe: Mit der richtigen Geburtshilfe unterstützen

Von Imke Brammert-Schröder, Dipl.-Ing. agr., Fachjournalistin

Die meisten Schafe bringen ihre Lämmer ohne Unterstützung durch den Menschen auf die Welt. Kommt es aber zu Komplikationen, ist eine sachgerechte Geburtshilfe gefragt. Dr. Henrik Wagner, Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer an der Justus-Liebig-Universität Gießen, führt an der Lehr- und Versuchsanstalt Neumühle in Rheinland-Pfalz regelmäßig Lehrgänge zur Geburtshilfe beim Schaf durch. Die Teilnehmer bekommen nicht nur viel theoretisches Wissen an die Hand, sondern können in praktischen Übungen am Phantom die richtige Hilfestellung üben.

Die Lammzeit ist die wichtigste Zeit für die Schafhalter. In den Herden werden viele Lämmer pro Tag geboren. Nicht immer überleben sie. Die Rate an Todesfällen nach der Geburt liegt zwischen 7 und 18 %. Für Dr. Henrik Wagner, Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer an der Justus-Liebig-Universität Gießen, ist diese Rate zu hoch. „Die Betreuung in der Ablammphase ist häufig der Knackpunkt. Die Probleme nehmen zu, je mehr Lämmer am Tag geboren werden“, erklärte er den Teilnehmern des Seminars zur Geburtshilfe beim Schaf. Denn ein Lamm kommt ohne Immunschutz auf die Welt und braucht die Biestmilch der Mutter, um die schützenden Immunglobuline aufzunehmen und einen eigenen Immunstatus aufzubauen. „Das erklärt auch die hohen Todesraten“, so der Fachtierarzt, der selber seit 20 Jahren Schafe hält und neben Tiermedizin auch Landwirtschaft studiert hat. „Sie müssen gewährleisten, dass die Lämmer mit Biestmilch versorgt werden“, erklärte er den Seminarteilnehmern. 150 ml sind anzustreben. Es sei wichtig, für Notfälle einen Vorrat mit tiefgefrorener Biestmilch vorzuhalten, der dann langsam aufgetaut und auf 40 °C erwärmt werden kann.

Genügend Böcke in den Herden einsetzen
Eine gute Planung der Lammzeit hält Wagner für wichtig, diese beginnt schon mit den Überlegungen, wann die Schafe gedeckt werden sollen. Schafe zeigen kaum Brunstsymptome, der Bock in der Herde spielt eine wichtige Rolle. Je nach Rasse zeigen Schafe eine saisonale oder asaisonale Brunst. Zu den saisonal brünstigen Rassen gehören beispielsweise Texel oder Heidschnucke. Sie werden mit abnehmender Tageslichtlänge brünstig. Asaisonal brünstige Rassen wie Merino oder Dorper können das ganze Jahr trächtig werden. Die Zykluslänge beim Schaf beträgt 17 Tage, die Tragezeit dauert 150 Tage. „Der Bock sollte mindestens zwei Zyklen in der Herde sein. Achten Sie darauf, dass ausreichend Böcke in der Herde sind, damit die Ablammzeit komprimiert ist. Sonst kann sie sich über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten hinziehen“, riet der Tierarzt. Unter den Seminarteilnehmern waren einige, die kleinere Herden haben. Ihnen empfahl Wagner, zwei Böcke zu halten, damit es nicht zu Schwierigkeiten kommt, wenn einer krank wird. Er appellierte an die Schafhalter, die Jungböcke im Alter von dreieinhalb bis vier Monaten von den Müttern abzusetzen, um ungewollte Trächtigkeiten zu vermeiden: Auch Trächtigkeitsuntersuchungen per Ultraschall hält der Tierarzt für sinnvoll, denn dadurch können nicht trächtige Tiere schnell herausgefunden werden. Wenn sie zwischen dem 50 bis 70. Tag erfolgten, könne auch erkannt werden, wieviel Lämmer das Schaf in sich trägt.

Wagner ging auf einige Krankheiten rund um den Geburtszeitraum ein. Er erläuterte, dass die Lämmer im Bauch der Mutter erst nach dem 100. Trächtigkeitstag verstärkt wachsen. Daraus resultiert ein erhöhter Energiebedarf der Muttertiere. „Füttern Sie im letzten Trächtigkeitsdrittel mehr Kraftfutter, die Energiezufuhr muss erhöht werden. Sonst droht eine Trächtigkeitsketose“, erklärte der Tierarzt. Ketose ist eine Stoffwechselstörung, die durch eine Überbeanspruchung des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels entsteht. Nimmt das Schaf nicht genügend Energie über das Futter auf, wird das Körperfett abgebaut und in der Leber umgebaut. Die Leberbelastung steigt, es kommt zu einer Ketose, die sich in Apathie, Fressunlust, Zähneknirschen und Schwäche bis hin zu Festliegen und Krampfanfällen zeigt. Der Tierarzt kann mit einer Glucoseinfusion in die Vene helfen. „Allerdings zeigen Schafe auch bei anderen Erkrankungen ähnliche Symptome wie bei einer Ketose.“ Deshalb ist es für den Tierarzt wichtig zu wissen, wann die Schafe ablammen. „Denn eine Kortisongabe, die auch bei einer Ketose als Therapie eingesetzt werden könnte, kann die Geburt auslösen“, so Wagner.

Ketose und Kalziummangel treten gemeinsam auf
Liegen die Schafe vor der Geburt fest, können sie auch an der Hypocalcämischen Gebärparese, auch einfach Calciummangel genannt, leiden. „Das Schaf liegt, kann aber den Kopf heben. Calciummangel ist mit einer Blutprobe leicht nachweisbar“, sagte Wagner. Das Schaf muss schnell Calcium subkutan, also unter die Haut, verabreicht bekommen, weil durch den Kalziummangel eine Wehenschwäche ausgelöst wird. „Das Muttertier kann nicht mehr pressen, die Gefahr ist groß, dass die Lämmer sterben“, erklärte der Tierarzt. „Ketose und Hypocalcämie treten bei kleinen Wiederkäuern meist vor der Geburt und gemeinsam auf“, machte Wagner deutlich. Entsprechend müsse auch beides behandelt werden. Er riet zu einer gut sortierten Stallapotheke, deren Inhalt mit dem betreuenden Tierarzt abgestimmt werden muss.
Dass die Geburt bevorsteht, kann der Schafhalter an verschiedenen Punkten erkennen: Die Scheide schwillt an und ist gerötet, die Schafe sind unruhig, sondern sich von der Herde ab. Die Beckenbänder lockern sich, die Schafe sehen eingefallen aus und die Zitzen füllen sich mit Milch. Die Geburt gliedert sich in mehrere Phasen. „Die Eröffnungsphase kann sich über Stunden hinziehen, aber die Austreibungsphase dauert nur eine Stunde“, erklärte Henrik Wagner. Die Nachgeburtsphase ist nach rund vier Stunden abgeschlossen. Um im Notfall eingreifen zu können, ist eine Geburtsüberwachung wichtig. „Das geht gut per Video oder Kamera mit Akustik im Stall“, berichtete der Tierarzt.

30-Minuten-Regel bei Geburten


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