Ein „Grüner Euro“ für Südtiroler Alm-Bauern: Wie Landschaft und Landwirtschaft erhalten werden könnten

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Interview mit Prof. Dr. Dr. Matthias Gauly, Freie Universität Bozen
Animal Science – Faculty of Agricultural, Environmental and Food Sciences – Dean of Research

Herr Prof. Gauly: die Südtiroler Berglandschaft zieht jedes Jahr Millionen Touristen an, die sich nicht zuletzt auch über die hübschen, braunen, grauen oder gefleckten Kühe auf den Almen freuen. Den Betrieben allerdings geht es wirtschaftlich schlecht und deswegen fordern Sie, dass Touristen für die Landschaftspflege via Kuh, Schaf und Ziege bezahlen sollen. Zum Einstieg und auch für Laien: Was passiert eigentlich mit den Almwiesen, wenn dort keine Wiederkäuer, wie z.B. die Kühe mehr grasen?

Prof. Dr. Dr. Matthias Gauly © Freie Universität Bozen

Das kann man relativ schön in den Nachbarprovinzen Südtirols und auch einigen Teilen Deutschlands sehen, wo diese Flächen eben nicht mehr mit Tieren gepflegt werden. Es kommt zur Verbuschung und – unterhalb der Baumgrenze – auch zur Bewaldung. Das Ganze zum Nachteil der Biodiversität und des Landschaftsbildes, das sich gravierend verändert. Bei uns spielt zusätzlich auch die Sicherheit eine Rolle, also Muren und Lawinenabgänge.

Das Landschaftsbild ist bei uns natürlich besonders wichtig, zum einen für die Südtiroler selbst aber natürlich auch für die Touristen. Letztere sind bisher nur indirekt am Unterhalt beteiligt, als Steuerzahler dessen Geld über die EU vielleicht auch bis nach Südtirol fließt, aber im Wesentlichen ist er unbeteiligt. Ich glaube, dass der Tourist durchaus bereit wäre etwas für diese Leistungen zu bezahlen, wenn er weiß wofür sein Geld verwendet wird und die Verwendung transparent und nachvollziehbar ist.

Bergbauern bewirtschaften nicht nur die Almen, sondern spielen auch abseits der „Landschaftsgestaltung“ eine Rolle, in Gegenden wie Südtirol.

Absolut! Und das auch in anderen Regionen, auch in Deutschland. Man kann das sehr gut sehen, in Gemeinden in denen ein Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben wurden, wo sich nicht nur die Struktur verändert, sondern auch wichtige Leistungen wegfallen.

Bei uns ist das Ehrenamt sehr stark auch von Landwirten getragen. Um ein Beispiel zu nennen: wir sind überwiegend auf die Freiwilligen Feuerwehren angewiesen, nicht nur bei Bränden sondern auch wenn wir Schneekatastrophen, Windbrüche und Ähnliches haben.

Die Landwirte sind auf ihren Höfen und zeitlich etwas flexibler als Angestellte, die früh nach Bozen zur Arbeit fahren und abends wieder zurückkommen. Vor allem aber sind sie geübt im Umgang mit großen Geräten, mit Bäumen, Pfählen und vielem mehr. Landwirte kennen ihre Region natürlich auch aus dem FF und wissen, wenn etwas passiert, genau wo es passiert, kennen alle Zu- und Abfahrten und das ist ein unglaublicher Wert.

Hinzu kommt ein Aspekt, der für Dorfgemeinschaften und auch Touristen eine Rolle spielt: Landwirte organisieren z.B. die Kirchweihfeste, die Feuerwehrfeste und den Almabtrieb. Es ist deshalb zu kurz gegriffen zu sagen, dass nur ein Teil der Lebensmittelerzeugung wegfällt, wenn Landwirte aufgeben.

Deutschland ist im Prinzip schon durch, da fährt man durch die Dörfer und sieht keine Landwirte mehr. Aber Touristen schätzen es durchaus, wenn es beim Dorfspaziergang mal nach Kuh riecht und Heu über die Straße geweht wird.

Sie wollen die Süd-Tiroler Bauern finanziell mit dem „Grünen Euro“, einer Art 2. Kurtaxe, unterstützen. Aber nicht alle Betriebe sollen davon profitieren?

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Beim „Grünen Euro“ soll ganz transparent kommuniziert werden, wofür Gelder eingesetzt werden. Es wäre nicht akzeptabel pauschal jeden Betrieb zu fördern. Wir haben in Südtirol etwa 20.000 landwirtschaftliche Betriebe, wovon die Hälfte Obst und Weinbauern sind und es würde keinem Touristen, der abends 30 Euro für eine Flasche Wein bezahlen muss, einleuchten, wenn der Winzer noch einen Extra-Bonus bekommt. Aber von den 10.000 viehhaltenden Betrieben, erbringen schon viele wertvolle Umweltleistungen, die bisher eben nicht vollständig abgegolten werden.

Wir erarbeiten gerade einen sehr scharfen Kriterienkatalog dazu. Z.B. sollen Betriebe mit einer hohen Anzahl Erschwernispunkte, die extrem schwierige Arbeitsbedingungen auf ökologisch wichtigen Flächen haben, in den Genuss von Zahlungen kommen können. Nach dem Gießkannen-Prinzip verteiltes Geld würde auch stark verpuffen und am Ende wenig nutzen.

Nach meiner persönlichen Vorstellung könnte der Tourist bei der Entrichtung sogar eine Präferenz angeben, für welche Maßnahmen er sich die Nutzung seiner Euros wünscht: z.B. eher im Bereich Umwelt, Artenschutz oder Tierwohl. Heutzutage ist das ja ganz einfach per App umsetzbar und sogar nachverfolgbar. Das würde nicht zuletzt die Akzeptanz steigern. Bei der Ortstaxe habe ich noch nie erlebt, dass jemand fragt „was macht ihr eigentlich mit dem ganzen Geld?“

Bei 34 Millionen Übernachtungen jährlich käme da schon ganz schön was zusammen. Aber schreckt nicht noch eine Abgabe am Ende Touristen ab, die ja heute schon Kurtaxe, Parkplatz und – im Winter – den Skipass bezahlen?

Dieses Argument kommt immer aus der Touristikbranche. Einerseits sollen ja nicht Hoteliers und Gastronomen den „Grünen Euro“ zahlen, sondern die Touristen. Auf der anderen Seite heben Hotels ihre Übernachtungspreise jedes Jahr um ein paar Prozent an und da reden wir von deutlich mehr Euros.

Jeder kann für sich ja ausrechnen, was Anreise, Übernachtungen, Parkgebühren, Zoobesuch etc. kosten und da ist ein Euro oder zwei pro Übernachtung nichts – vorausgesetzt ich begreife wofür das Geld ausgegeben wird. Wir planen gerade eine Touristen-Befragung und wollen bewusst Zahlungsbereitschaften abfragen. Ich bin sehr optimistisch, dass die vorhanden ist.

Bleiben wir bei 34 Mio. Übernachtungen und setzen dafür je einen Euro an: Wie viele Betriebe kämen denn schätzungsweise in den Genuss der Zahlungen?

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Wir haben uns ja noch nicht abschließend über die Kriterien verständigt, aber nach meiner Vorstellung würden 20-30% in den Genuss einer Förderung kommen, also zwischen 2.000 und 3.000 Betriebe. Ich sehe da zwei Förderungsschienen: eine für kontinuierliche Zahlungen, z.B. für Umweltmaßnahmen und eine zweite für einmal umzusetzende Projekte, wie etwa Anpassungen im Kuhstall zur Verbesserung des Tierwohls oder zum Schutz des Kimas.

Wenn man von 20-30% der Betriebe ausgeht, dann sind € 34 Mio. (evtl. mal zwei) schon eine erhebliche Summe, in Relation zur Förderung aller landwirtschaftlichen Sektoren in einer Größenordnung von etwa € 200 Mio.

Simpel gerechnet würden bei 30 Mio. für 3.000 Betriebe pro Nase € 10.000 ausgezahlt. Das wäre ja schon ein nettes Sümmchen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Betriebe ja keine reinen Subventionsempfänger sind, sondern ein Einkommen erwirtschaften über Milch und Fleisch. Sie bekommen natürlich auch bereits Fördergelder in nicht unerheblicher Höhe, die aber eben nicht mehr ausreichen. Insofern wäre das ein Betrag, der Betriebe ermuntern könnte nachhaltig in der Erzeugung zu bleiben.

Herr Prof. Gauly: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihr Konzept!

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