Ein Positionspapier der Berufsverbände der amtlichen Lebensmittelüberwachung

Maik Maschke, BVLK-Vorsitzender - Dr. Christine Bothmann, BbT-Präsidentin - Birgit Bienzle, BLC-Präsidentin (Foto: BbT)

In der Europäischen Union und insbesondere hier in Deutschland wird gesundheitlicher Verbraucherschutz als präventiver Gesundheitsschutz auf hohem Niveau betrieben. Die staatlichen Kontrollsysteme genießen insgesamt einen guten Ruf. Dennoch führen Lebensmittelskandale immer wieder dazu, dass die Arbeit, die Funktionsfähigkeit und die bestehenden Strukturen der amtlichen Lebensmittelüberwachung infrage gestellt werden. Politik und Öffentlichkeit stellen in Folge dessen immer höhere Erwartungen und Anforderungen an die amtliche Lebensmittelüberwachung. Diese umfasst neben der Überwachung von Lebensmitteln auch diejenige von Lebensmittelbedarfsgegenständen, sonstigen Bedarfsgegenständen, kosmetischen Mitteln, Tätowiermitteln und Tabakerzeugnissen, sogenannte verbrauchernahe Produkte.

Globale Handelsströme lassen ebenso wie der zunehmende Internetvertrieb einerseits altbekannte Probleme in Deutschland erneut auftreten und führen andererseits zum Import ganz neuer und teilweise bisher unbekannter Risiken. Vor dem Hintergrund dieser stetig neuen Herausforderungen sollten auch die Strukturen der amtlichen Lebensmittelüberwachung überdacht und optimiert werden, damit sie zukunftsfähig aufgestellt werden.

Zudem erreicht der sich aufgrund des demografischen Wandels verschärfende Fachkräftemangel zunehmend auch die staatlichen Einrichtungen. Viele erfahrene Kolleginnen und Kollegen gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand, Nachbesetzungen werden schwieriger, Stellen bleiben unbesetzt. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden, um den öffentlichen Dienst auch in der Eingriffsverwaltung attraktiv und konkurrenzfähig zu halten. Neben angemessener Entlohnung oder Besoldung bedarf es guter und sicherer Arbeitsbedingungen, eines modernen Personalmanagements und verbesserter Angebote zur Weiterbildung.

Mit der absehbaren Personalentwicklung ist eine verstärkte Priorisierung der Aufgaben in Verbindung mit Entbürokratisierung und Digitalisierung unausweichlich. Ein starker politischer Rückhalt wird in jedem Fall erforderlich sein.

Die drei Berufsverbände BVLK, BbT und BLC repräsentieren das Kontrollpersonal der Behörden und Labore der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Deutschland, also die Lebensmittelkontrolleur/- innen, Tierärzte/-innen und Lebensmittelchemiker/-innen. Wir alle setzen uns täglich mit hohem Engagement gemeinsam für diese wichtige Aufgabe im gesundheitlichen Verbraucherschutz ein.

Unsere Forderungen auf einen Blick

Angemessene Ausstattung
Für gute und sichere Lebensmittel sowie verbrauchernahe Produkte ist eine in den Behörden und Laboren personell, finanziell und technisch gut gerüstete Lebensmittelüberwachung unabdingbar.

Qualifikation des Kontrollpersonals
Ausreichend qualifiziertes Personal in der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist unabdingbar für einen hochwertigen Verbraucherschutz.

Betriebskontrollen
Die risikoorientierte Kontrolle muss auch weiterhin auf dem Vorsorgeprinzip basieren. Kontrollen müssen mit angemessener Häufigkeit durchgeführt werden. Für die verstärkte Fokussierung auf Problembetriebe ist bundesweit festzulegen, unter welchen Umständen zusätzliche Überwachungsmaßnahmen erforderlich werden.

Produktkontrollen
Voraussetzung für einen effektiven und transparenten Verbraucherschutz durch Überprüfung der Produktkonformität sind in jedem Fall ausreichende Ressourcen bei den zuständigen Behörden und Laboren der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Als Grundlage für eine effiziente Ressourcenplanung ist auch zukünftig die Definition einer angemessenen Mindestprobenzahl erforderlich.

Transparenz
Das zu etablierende Transparenzsystem muss rechtssicher und ohne großen personellen und finanziellen Aufwand für die Überwachungsbehörden sowie als Teil eines Gesamtkonzepts zur behördlichen Transparenz entwickelt werden. Es muss einfach, praktisch und für den Verbraucher leicht verständlich sein. Hierdurch werden für die Lebensmittelüberwachung sehr zeitaufwändige VIG-Anfragen deutlich reduziert werden.

Angemessene Ausstattung
Genügend qualifiziertes und weitergebildetes Personal sowie eine angemessene finanzielle Ausstattung der Behörden und Labore im gesundheitlichen Verbraucherschutz sind unerlässlich. Ausreichend finanzielle Mittel müssen dabei sowohl für quantitativ und qualitativ hochwertige amtliche Kontrollen als auch für Probenahmen und Untersuchungen zur Verfügung stehen.

In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass sowohl für Betriebskontrollen als auch für Probenahmen und -untersuchungen klare Sollvorgaben definiert sind, auf deren Grundlage eine angemessene Ausstattung mit Ressourcen sichergestellt und eingefordert werden kann. Diese Sollvorgaben müssen sich an fachlichen Grundsätzen orientieren und dem Vorsorgegedanken Rechnung tragen.

Die 2021 veränderten Vorgaben der AVV RÜb dürfen weder zu einer Reduzierung der Kontrollzahl, noch zum Abbau von qualifiziertem Überwachungspersonal führen. Ebenso darf die dringend notwendige Reform der Vorgaben für Probenzahlen nicht zum Personalabbau bei Behörden und Laboren führen. In beiden Fällen soll durch die Weiterentwicklung der Vorgaben die Qualität der Lebensmittelüberwachung verbessert werden.

Neben der Beschäftigung von Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleuren sowie von wissenschaftlichen Sachverständigen mit einem Studium der Veterinärmedizin oder Lebensmittelchemie in ausreichender Zahl müssen die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden auch fachlich-inhaltlich gestärkt werden. Dies sollte Konzepte zur interdisziplinären Zusammenarbeit, Schwerpunktprogramme, Spezialisierungen sowie angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels intensivierte Aus- und Weiterbildungskonzepte umfassen.

Für gute und sichere Lebensmittel sowie verbrauchernahe Produkte ist eine in den Behörden und Laboren personell, finanziell und technisch gut gerüstete Lebensmittelüberwachung unabdingbar.

Qualifikation des Kontrollpersonals
Das Personal in der amtlichen Lebensmittelüberwachung muss auf einem hohen Aus- und Weiterbildungsstand qualifiziert sein, um den ständig steigenden Anforderungen des Lebensmittelrechts gerecht zu werden. Die Zugangsvoraussetzungen für alle beteiligten Berufsgruppen hierfür sind bundesweit einheitlich zu regeln. Länderspezifische Regelungen müssen ein Ende haben.

Insbesondere die Zugangsvoraussetzung zum Beruf des Lebensmittelkontrolleurs bzw. der -kontrolleurin sollte auch zukünftig mindestens ein Meistertitel oder eine vergleichbare bzw. höhere Qualifikation sein. Ein besonderes Augenmerk wird auf eine mehrjährige Berufserfahrung in einem Betrieb der Lebensmittelwirtschaft gelegt; auch beim Zugang zum gehobenen Dienst wird diese unbedingt für erforderlich gehalten.

Die Ausbildung, Spezialisierung und Weiterbildung der drei von uns vertretenen Berufsgruppen muss mindestens gewährleisten, dass sämtliche Rechtsgebiete, Verwaltungsgrundlagen und auch praktische Ausbildungsinhalte erlernt werden können. Gerade das Recht der Lebensmittel und der verbrauchernahen Produkte ist vor dem Hintergrund einer sich schnell wandelnden Technologie der Herstellungsprozesse und zunehmend globaler werdenden Warenströme einem ständigen Aktualisierungszwang unterworfen, der sich gleichermaßen in einer Vertiefung von theoretischen und praktischen Inhalten darstellen muss.

Hinsichtlich der Gleichstellung von im Ausland erworbenen Prüfungszeugnissen und Befähigungsnachweisen ist ein bundesweit einheitliches Verfahren Voraussetzung. Ein für die jeweilige Aufgabe angemessen gutes deutsches Sprachniveau ist mündlich und schriftlich unerlässlich.

Zudem müssen Fortbildungsanforderungen im Rahmen der alltäglichen Arbeit für alle in der Lebensmittelüberwachung tätigen Berufsgruppen einheitlich und verbindlich festgelegt werden. Zur Aufrechterhaltung der Qualität werden mindestens fünf Tage in zwei Jahren für erforderlich gehalten.

Die steigende Zahl der Problemkontrollen und die zunehmende Aggressionsbereitschaft gegenüber amtlichem Personal führt zu erhöhter psychischer Gefährdung. Das Angebot an geeigneten Fortbildungen zum Konfliktmanagement und zur Resilienzstärkung muss im Rahmen des Arbeitsschutzes zielgerichtet ausgebaut werden.

Ausreichend qualifiziertes Personal in der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist unabdingbar für einen hochwertigen Verbraucherschutz.

Betriebskontrollen
Lebensmittelbetriebe müssen regelmäßig, risikobasiert und mit angemessener Häufigkeit kontrolliert werden – so schreibt es Artikel 9 der EU-Kontrollverordnung 2017/625 vor.
Infolge einer Änderung der Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung (AVV RÜb), die diese Vorgabe im nationalen Recht konkretisiert, wurden 2021 die Intervalle für risikobasierte Betriebskontrollen in Lebensmittelbetrieben in den Risikoklassen 1 bis 5 deutlich verlängert. In Verbindung mit einigen anderen Einflussfaktoren führte dies zu einer Senkung der Sollvorgaben für diese Kontrollen um schätzungsweise mindestens 30 bis 40 Prozent.

Dadurch freiwerdende Kontrollkapazitäten sollen gemäß der Begründung der AVV RÜb-Änderung verstärkt auf Problembetriebe konzentriert werden. Für diese Fokussierung fehlen jedoch bisher weitere Rahmenvorgaben, um einen einheitlichen Verwaltungsvollzug bundesweit zu gewährleisten und gegenüber den Lebensmittelunternehmern zu plausibilisieren. Ebenso sind weitere bundesweit einheitliche Detailregelungen bezüglich Kontrollarten und Kontrolltiefe festzulegen, um nicht nur einen Mindeststandard für die Quantität, sondern auch für die Qualität vorzugeben. Hier ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass bei langen Abständen von einem Jahr oder mehr zwischen den Kontrollen in der Regel zeitaufwändige „Vollkontrollen“ erforderlich sind.

Eine klare Regelung ist auch im Hinblick auf die Erhebung von Gebühren erforderlich. In einigen Ländern werden Gebühren für Lebensmittelkontrollen nicht nur bei Nach- oder Anlasskontrollen, sondern auch bei Routinekontrollen erhoben. Dann ist es wichtig, die Erforderlichkeit der Kontrolle im Falle eines Widerspruchs oder einer Klage gegen den Gebührenbescheid auch belegen zu können – z. B. auf Grundlage der Risikobeurteilung oder durch andere Belege. Darüber hinaus ist eine bundesweit einheitliche Handhabung der Gebührenerhebung bei Routinekontrollen im Zuge der Gleichbehandlung wünschenswert.

Die risikoorientierte Kontrolle muss auch weiterhin auf dem Vorsorgeprinzip basieren. Kontrollen müssen mit angemessener Häufigkeit durchgeführt werden. Für die verstärkte Fokussierung auf Problembetriebe sind bundesweit Basiskriterien festzulegen, unter welchen Umständen zusätzliche Überwachungsmaßnahmen erforderlich werden.

Produktkontrollen
Die EU-Kontrollverordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten zu Warenuntersuchungen. Hierzu zählen neben den Vor-Ort-Kontrollen auch Probenuntersuchungen. Die Entnahme von amtlichen Proben zur Untersuchung und Beurteilung ist somit nur eine von mehreren Kontrollmethoden zur Überprüfung der Produktkonformität.

In Deutschland ist gemäß der AVV RÜb die Anzahl der planmäßig zu entnehmenden Proben jährlich auf mindestens 5 Lebensmittelproben und mindestens 0,5 Proben von Bedarfsgegenständen, Kosmetik und Tabak auf je 1000 Einwohner zur Untersuchung vorgegeben. Diese festgelegte Probenzahl ist eine quantitative und bundesweit einheitliche Richtgröße für die Kontrolldichte der Beurteilung von Proben im Rahmen der Lebensmittelüberwachung. Dabei sollten die Proben vorrangig bei Herstellern und Importeuren entnommen werden. Doppelbeprobungen in verschiedenen Ländern oder von verschiedenen Vor-Ort-Behörden können durch diese Flaschenhalskontrollen minimiert werden.

Wir unterstützen und befürworten eine dringend erforderliche Reform bei den Vorgaben für Probenzahlen. Weitere Detailregelungen bezüglich Probenart und Untersuchungstiefe sind noch festzulegen, um nicht nur einen Mindeststandard für die Quantität, sondern auch für die Qualität vorzugeben. Deutschlandweit darf es dadurch nicht zu einer Absenkung des Verbraucherschutzniveaus kommen. Darüber hinaus muss gewährleistet werden, dass die Untersuchungseinrichtungen den Überwachungsbehörden die Untersuchungsergebnisse so zeitnah zur Verfügung stellen, dass erforderliche Vollzugsmaßnahmen umgehend und wirksam getroffen werden können. Die Verteilung der Proben sollte sich an den örtlichen Betriebsstrukturen orientieren. Auch ist eine bessere und bundesweite Abstimmung bei Probenahme und -untersuchung unbedingt erforderlich. Hier wird auf die Möglichkeiten der Digitalisierung und die geplante Vernetzung durch eine zentrale IT-Architektur für den gesundheitlichen Verbraucherschutz (ZITA gV) gesetzt.

Der Onlinehandel stellt die Lebensmittelüberwachung derzeit immer noch vor große Herausforderungen. Das Internet hat sich bedauerlicherweise zum Teil als Tummelplatz für illegale Produkte entwickelt. Ein Hauptgrund hierfür ist, dass es praktisch nicht möglich ist, dort amtliche Proben rechtskonform zu entnehmen. Beispielhaft ist auf die große Gruppe der Nahrungsergänzungsmittel zu verweisen, die nicht selten gesundheitsgefährdende Stoffe oder Stoffe mit anaboler oder arzneilicher Wirkung enthalten. Hier finden sich vermeintlich natürliche Schlankheits- und Potenzmittel oder andere dubiose Produkte. Eine effiziente, rechtssichere Möglichkeit zur anonymen Onlineprobenahme muss dauerhaft sichergestellt werden.

Voraussetzung für einen effektiven und transparenten Verbraucherschutz durch Überprüfung der Produktkonformität sind in jedem Fall ausreichende Ressourcen bei den zuständigen Behörden und Laboren der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Als Grundlage für eine effiziente Ressourcenplanung ist auch zukünftig die Definition einer angemessenen Mindestprobenzahl erforderlich.

Transparenz
Die EU-Kontrollverordnung 2017/625 ermöglicht es den Behörden, Angaben über die Einstufung einzelner Unternehmer aufgrund der Ergebnisse amtlicher Kontrollen zu veröffentlichen. Hierin wird auch eine Stärkung der Verbraucherrechte im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit und -hygiene gesehen.

Erste Erfahrungen liegen in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen vor. Auch in anderen Ländern gibt es Bestrebungen nach Transparenzsystemen. Für die Umsetzung bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung zur Transparenz. Nur so können Benachteiligungen in Grenzregionen zu anderen Ländern ausgeschlossen werden.

Damit die Tätigkeiten behördenintern und nach außen transparenter werden, braucht es eine effiziente Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Lebensmittelüberwachung und konsequente Entwicklung der zentralen Datenbank sowie eine einheitliche und leicht verständliche Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit.

Dafür ist es notwendig, dass die Kontroll- und Untersuchungsdaten der Lebensmittelüberwachung bundesweit einheitlich erfasst und klare rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um diese Daten in einer zentralen Datenbank zusammenzuführen.

Das Transparenzsystem muss verpflichtend für alle Lebensmittelbetriebe sein. Zudem muss die Erstellung der Verbraucherinformationen automatisiert unter Nutzung der bestehenden Datenbank er-folgen. Der hohe Verwaltungsaufwand für die Bearbeitung von Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) würde durch ein Transparenzsystem überflüssig.

Die bisher geltenden Pflichten zur Veröffentlichung bestimmter bußgeldrelevanter Tatbestände und von Befunden zu verbotenen Stoffen oder zu Höchstmengenüberschreitungen stellen keine geeignete Transparenzregelung dar. Das neue Transparenzsystem darf zu keinen ungerechtfertigten Benachteiligungen von Gewerbetreibenden führen.

Das zu etablierende Transparenzsystem muss rechtssicher und ohne großen personellen und finanziellen Aufwand für die Überwachungsbehörden sowie als Teil eines Gesamtkonzepts zur behördlichen Transparenz entwickelt werden. Es muss einfach, praktisch und für den Verbraucher leicht verständlich sein. Hierdurch werden für die Lebensmittelüberwachung sehr zeitaufwändige VIG-Anfragen deutlich reduziert werden.

Stand: Juni 2024
gez. Maik Maschke
BVLK-Vorsitzender

gez. Dr. Christine Bothmann
BbT-Präsidentin

gez. Birgit Bienzle
BLC-Präsidentin

Quelle: BbT