Deutscher Tierärztetag 2018 – Hintergründe und Anmerkungen

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Im Vorfeld der Veranstaltung wurden die Zukunfts-Erwartungen praktizierender Tierärzte per Fragebogen-Aktion gesammelt. Die Auswertungen präsentierten verschiedene Referenten dann in den jeweiligen Arbeitskreisen und stellten sie dort zur Diskussion. Im Arbeitskreis wurde dann eine Beschlussvorlage für das Plenum erarbeitet und anschließend allen Teilnehmern des Tierärztetages wiederum zur Diskussion und zur endgültigen Abstimmung vorgelegt.

Die Forderungen der Tierärzteschaft für die nähere Zukunft sind hier nachzulesen. Die Ergebnisse der Fragebogenaktion für den Bereich Nutztierpraxis und die Diskussion im Arbeitskreis, verdienen jedoch eine detaillierte Betrachtung.

Die Auswertung der Fragebögen präsentierten:

Dr. Michael Schmaußer, Rinderpraktiker aus Freising,
Dr. Hermann Block, Teilhaber einer Geflügelpraxis in Uelsen,
Dr. Torsten Pabst, Schweinepraktiker aus Buldern.

Über alle Tierarten hinweg stimmten die Befragten in etlichen Punkten überein: bis 2030 wird die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinken, es wird mehr Großbetriebe geben und z. B. kleinere Milchviehhaltungen dürften nur als „Sonnenschein-, Lifestyle- oder (Bio-)Nischen-Höfe“ überleben.

Als Folge der Konzentration erwartet Michael Schmaußer für die Rinderpraxis Anfahrtswege bis 300 km. Thorsten Pabst prognostiziert, dass im Deutschland des Jahres 2030 nur noch 30 Schweinepraxen existieren. Nicht nur die Tierhalter aller Bereiche werden sich stärker spezialisieren, gleiches gilt auch für die Tierarztpraxen. Die kurative Arbeit verliert an Bedeutung, integrierte Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung für die abnehmende Hand werden neue Schwerpunkte.

Laut Umfrage (topagrar, Juli 2018) wünschten sich schon heute 65% der Landwirte mehr integrierte Bestandsbetreuung, 50% wissen jedoch nicht, dass Tierärzte genau diese als „integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung (ITB)“ anbieten.

In den großen Tierarztpraxen wird es in Zukunft keine Allrounder für alle Tierarten mehr geben, sondern Spezialisten z. B. für Sauen, Mast, Futter/Klima. Mehr Bestandsbetreuung,  Qualitätssicherung und weniger „Feuerwehrmedizin“ bedeutet aber auch, mehr Teilzeitstellen und bessere Arbeits- und Freizeitplanung für die nachfolgende Generation.

Allerdings stellen sich in allen Sparten der Nutztierpraxis dieselben Fragen in Bezug auf den Nachwuchs:

Wie ist es um die „Ersttagskompetenz“ bestellt? Wie kann die Arbeit mit Nutztieren attraktiver gestaltet und den Studierenden besser präsentiert werden? Ist eine frühe Spezialisierung im Studium der richtige Weg? Wie können die Arbeitsbedingungen den Vorstellungen der „Generation Y“ von erstrebenswerter Work-Life-Balance gerecht werden? Sind andererseits Verdienst- und Karriere-Perspektiven für diejenigen attraktiv, die sich eine Praxisnachfolge zutrauen?

Trainingsprogramme müssen her und Praktika, am besten noch vor Studienbeginn (wie es übrigens auch der Arbeitskreis „Kleintiere“ fordert). Nicht nur grundsätzliches Interesse an der Nutztierpraxis sei gefragt, meinte Torsten Pabst, sondern auch Kommunikations-fähigkeit und ein Grundwissen zu den Produktionskosten im landwirtschaftlichen Betrieb. Für den Schweinesektor außerdem praktische Fähigkeiten, wie Besamung, zootechnische Maßnahmen, Reinigung und Desinfektion.

Die Forschung solle in Zukunft stärkeres Gewicht legen auf Bestandsbetreuung, Fütterung, Tierhaltung und Tierschutz, sagte Rinderpraktiker Schmaußer, aber auch auf ökologische Fragen und den Umgang mit stetig wachsendem Druck von Politik und Öffentlichkeit.

Digitalisierung und Datenintegration wird in allen Bereichen stark zunehmen. Eine Vielzahl an Daten wird via Smartphone immer und überall abrufbar sein (auch wenn die von Hermann Block betreuten Geflügelhalter heute noch zu 90% mit Fax arbeiten).

Alle Informationen müssten zukünftig beim Tierarzt zusammenlaufen und Torsten Pabst zählte sie auf: Diagnostische Daten – klinische Daten – Resistenzdaten – Leistungsdaten – Tiergesundheitsindex – Schlachtdaten – Salmonellendaten – Antibiotikadaten – Screeningdaten.

Die Einführung flächendeckender Datenbanksystem für Tiergesundheit und Tierschutz werden für Praxis und Wissenschaft essentiell. Wem und wie umfänglich all diese Daten zugänglich gemacht werden, müsse der Gesetzgeber festlegen. Zu ermitteln, welche Ziele – Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheits-Monitoring, Benchmarking, Tierwohl, Tierschutz – gesellschaftlich erwünscht sind, sei Aufgabe der Politik, forderte Moderator Dr. Matthias Link.

Auch Dr. Christoph Brundiers, Leiter des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Kreises Steinfurt, prognostiziert größere landwirtschaftliche Betriebe, größere Tierarzt-praxen und entsprechend weniger Ämter mit größeren Einzugsgebieten. Er erwartet eine wachsende Distanz zwischen Praktiker und Amts-Veterinär, weil die Bedeutung der Tierseuchenbekämpfung abnimmt und, bei stetig sinkender Zahl von Schlachtbetrieben, auch die Zusammenarbeit bei der Fleischhygiene. Die Kooperation beim Tierschutz aber würde an Bedeutung gewinnen (Stichwort Tiergesundheitsdatenbank).

Und weil über allem die Frage schwebt: „wollen wir überhaupt noch Nutztierhaltung in Deutschland?“, drängte sich dem Zuhörer stellenweise die düstere Zukunftsvision auf, in der Investoren die wenigen verbliebenen Großpraxen übernehmen, immer mehr tierische Produkte aus Ländern wie Polen und Rumänien importiert werden und am Ende der Tierarzt-Nachwuchs gleich mit.

Dies insgesamt zu verhindern ist die dringendste Zukunfts-Aufgabe für Berufsverbände, Wissenschaftler und Praktiker. Zuallererst müssen sie sich deshalb in der gesellschaftlichen Diskussion zur Nutztierhaltung zu Wort melden. Klar und vernehmlich, als die Tierschützer per se.

Die „Tierärztliche Plattform Tierschutz“ wäre hierfür bestens geeignet.

28. Deutscher Tierärztetag: Zukunft der Tierärzteschaft wurde in Dresden diskutiert

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Auf dem wichtigsten standespolitischen Treffen der deutschen Tierärzteschaft diskutierten über 300 Tierärzte in drei Arbeitskreisen über die Zukunft der Tierärzteschaft. Im Ergebnis der sehr konstruktiven Diskussionen in den Arbeitskreisen „Kleintierpraxis 2030“, „Nutztierpraxis 2030“ sowie „Amtstierarzt 2030“, konnte die Hauptversammlung des Deutschen Tierärztetags Forderungen an die Politik und den tierärztlichen Berufsstand beschließen.

Die Forderungen des Arbeitskreis 2: Nutztierpraxis 2030 lauten:

Die tierärztliche Nutztierpraxis unterliegt vielfältigen Veränderungsimpulsen. Medizinischer Fortschritt und der Einzug von Automatisierung und digitalen Techniken in der Tierhaltung und Tiermedizin verändern die tierärztliche Bestandsbetreuung und Praxis rasant. Ebenso stellt der fortschreitende Strukturwandel in der Tierhaltung hin zu größer werdenden Einheiten eine große Herausforderung an die Betreuung der Betriebe dar. Nicht zuletzt beeinflusst die gesellschaftliche Diskussion um die Tierhaltung, den Tierschutz und die Arzneimittelsicherheit die Entwicklung des Berufs.

Die Bedeutung von Dokumentation und Transparenz gegenüber Verarbeitung, Vermarktung und Verbrauchern wird weiterhin ansteigen und die Eigenkontrollverpflichtungen der Tier-haltung werden zunehmend die bisher vorherrschende amtliche Überwachung ergänzen.

Die tierärztliche Bestandsbetreuung wird ihre Bedeutung als unmittelbare und regelmäßige Begleitung der Tierhaltung ausbauen. Sie erkennt die Abläufe im Bestand und bewertet und verbessert diese. Neben Tiergesundheit und Arzneimittelsicherheit stehen Produktivität, Tierschutzbelange und Umweltauswirkungen therapeutischer und prophylaktischer Maßnahmen im Fokus der Bestandsbetreuung. Tierärztinnen und Tierärzte gewährleisten seit Jahrzehnten die Lebensmittelsicherheit. In Zukunft sind sie sowohl auf Seiten der abnehmenden Wirtschaft als auch von Seiten der staatlichen Überwachung in der tierärztlich begleiteten Eigenkontrolle der Bestände Garant für die Sicherheit zugesagter Produktionsabläufe. Mit der Dokumentation dieser Eigenkontrollergebnisse wird die Transparenz geschaffen, die für die Rückgewinnung des verloren gegangenen Verbrauchervertrauens notwendig ist. Einschlägige Fort- und Weiterbildungsangebote gewährleisten die hohe Qualität der tierärztlichen Bestandsbetreuung. Erhebung, Verarbeitung, Auswertung und Interpretation von tiergesundheitlich relevanten Daten und daraus abzuleitende Maßnahmen sind originäre tierärztliche Tätigkeiten.

Die klinische Ausbildung im universitären Veterinärstudium ist auch in Zukunft die Grundlage der tierärztlichen Nutztierpraxis. Darüber hinaus vermittelt die tierärztliche Ausbildung die Inhalte der Bestandsbetreuung und hält engen Kontakt zu den Geschehnissen in der Praxis, in die sie den Studierenden Einblick gewährt. Im Rahmen der Diagnostik und der konsiliarischen Beratung steht sie als unabhängige Instanz an der Seite der Praxis. Sie entwickelt und sammelt Lösungsstrategien und Therapiemöglichkeiten und benennt frühzeitig Fehlentwicklungen. Damit hilft sie der Bestandsbetreuung, langfristige Schäden in der Tierhaltung zu vermeiden. Den Studierenden wird die Bedeutung transparenter Verfahren in der Lebensmittelproduktion aufgezeigt und die wichtige Rolle vermittelt, die Tierärztinnen und Tierärzte als Beratende und als Garanten in der Tierhaltung spielen. Neben hohen Spezialisierungsmöglichkeiten wird die große Bedeutung der allgemeinmedizinischen Tierarztpraxis im Querschnittsstudium nicht vernachlässigt.

Das Aufnahmeverfahren für ein Studium der Veterinärmedizin ist zu überarbeiten. In der Ausbildung der Studierenden sind vermehrt praktizierende Tierärztinnen und Tierärzte einzubinden, die für diese Tätigkeit entsprechend weitergebildet und entlohnt werden. Die berufsständischen Organisationen setzen sich auch in Zukunft für eine allgemeine Approbation ein. Eine Überarbeitung der Ausgestaltung des Studiengangs ist anzustreben. Eine mögliche Überarbeitung wäre die Festlegung von auf dem Zeugnis vermerkten Schwerpunkten.

Die tierärztliche Praxis wird sich den Ansprüchen an moderne Arbeitsbedingungen anpassen. Geregelte Arbeitszeiten, fachlicher Austausch und angemessene Bezahlung sind die Grundlage professioneller Praxisführung. Es werden sich zunehmend größere Praxiseinheiten etablieren, in denen die Arbeitsbelastung gleichmäßiger verteilt wird und der Austausch untereinander intensiviert wird. Es werden voraussichtlich weniger inhabergeführte Praxen und mehr Personengesellschaften oder andere Gesellschaftsformen die Praxislandschaft gestalten. Dokumentation und Vernetzung mit Untersuchungs-einrichtungen und einschlägigen Spezialisten haben einen festen Platz im Arbeitsalltag und stellen selbstverständliche Anteile der Tätigkeit dar. Die Einhaltung berufsrechtlicher Vorgaben bezüglich ethischer Verpflichtungen, Therapiefreiheit und Qualität tierärztlicher Leistungen dürfen dadurch nicht gefährdet werden.

Größere Praxiseinheiten bedingen, dass eine flächendeckende Versorgung mit Tierärztinnen und Tierärzten nicht jederzeit und überall gewährleistet sein könnte. Insbesondere für die Bekämpfung von Tierseuchen in Krisenfällen ist eine flächendeckende Struktur in der Nutztierpraxis erfahrener Tierärztinnen und Tierärzte für den schnellen Erfolg der Bekämpfung entscheidend.

Die Telemedizin kommt als hilfreiches Instrument der Tierärztlichen Praxis zugute. Andererseits müssen Online-Portale mit Diagnostikhilfen für Tierhalterinnen und Tierhalter intensiv überwacht werden, um tierschutzrelevante Laienbehandlung oder gar Seuchenverschleppungen zu verhindern.

Tierärztinnen und Tierärzte sind Experten und die ersten Ansprechpartner für Tiergesundheit, Tierschutz und Lebensmittelsicherheit. Sie sind zuständig für das Tiergesundheitsmanagement in der Nutztierpraxis als entscheidender Faktor für den Erhalt einer zukunftsfähigen Nutztierhaltung. In diesem Sinne ist das Berufsbild der Nutztierpraxis in der öffentlichen Wahrnehmung aufzuwerten. Damit Tierärztinnen und Tierärzte in der Nutztierpraxis dieser Rolle heute und in Zukunft gemäß ihrem beruflichen und ethischen Selbstverständnis gerecht werden können, fordert der Deutsche Tierärztetag:

1. den schon erfolgreich eingeschlagenen Weg der Bestandsbetreuung durch Tierärzte weiter durch gesetzliche und berufspolitische Maßnahmen zu verstärken und zu befördern.

2. durch staatliche Monitoringprogramme Tiergesundheit, Tierschutz und die Sicherheit im Arzneimittelverkehr unter Beteiligung der Tierärzteschaft nachhaltig zu verbessern, in die die Tierärztliche Bestandsbetreuung als Garant eingebunden ist.

3. die Dokumentationspflichten in der Nutztierarztpraxis kritisch zu evaluieren und sie zugunsten einer gesetzlich verankerten Tiergesundheitsdatenbank zu reduzieren. Die Bewertung der Tiergesundheitsdaten ist durch Tierärztinnen und Tierärzte vorzunehmen.

4. dass die tierärztlichen Bildungsstätten und andere staatliche Einrichtungen im Nutztierbereich als unabhängige Institutionen in Diagnostik und Wissenschaft weiterhin intensiv beteiligt und finanziell ausreichend ausgestattet sind.

5. dass in der TAppV* eine Mindeststundenzahl für die Ausbildung in der Nutztiermedizin (Chirurgie, Innere und Reproduktion) festgeschrieben wird. Praktizierende Tierärztinnen und Tierärzte müssen verstärkt in die Ausbildung eingebunden werden.

6. das Auswahlverfahren für die Zulassung zum Studium der Veterinärmedizin mit dem Ziel zu überarbeiten, dass die Bewerberinnen und Bewerber den zukünftigen Aufgaben gewachsen sind.

7. für den Erhalt einer flächendeckenden Tierärztlichen Versorgung im ländlichen Raum Förderungsmaßnahmen und Finanzierungskonzepte.

8. die Chancen der Digitalisierung (z.B. Telemedizin) zum Vorteil der Tiergesundheit zu nutzen und zu fördern und das Missbrauchspotential durch Online-Portale für Tierhalterinnen und Tierhalter, die zu Verstößen gegen Tierschutz, Arzneimittelrecht oder Tierseuchenvorbeugung führen können, intensiv zu überwachen.

9. dass Nutztierärztinnen und -tierärzte im Bereich der Schlachttier- und Fleischuntersuchung eingebunden bleiben und die Entlohnung leistungsgerecht angepasst wird.

* Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten

Neu: Leberegelbehandlung jetzt auch bei laktierenden Milchkühen

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Infektionen mit dem Großen Leberegel (Fasciola hepatica) sind in Deutschland regional stark verbreitet. In neueren Tankmilchuntersuchungen wurden bis zu 49,9 % der untersuchten Herden positiv getestet. Bei Milchkühen wurden jährliche Milchleistungs-verluste von bis über 400 kg Milch pro Kuh festgestellt1, zusätzlich kommt es zu reduzierten Wachstums- und Reproduktionsleistungen der betroffenen Tiere. Im Fall von Milchkühen überwiegt die chronische Verlaufsform, die trotz der teils massiven finanziellen Schäden häufig wenig beachtet wird.

Seit Kurzem gibt es von Boehringer Ingelheim ein neues Präparat zur Leberegel-bekämpfung, das auch für den Einsatz bei laktierenden und tragenden Kühen zugelassen ist. Das verschreibungspflichtige Arzneimittel wird oral angewendet und bietet eine praktische einheitliche Dosierung für alle Tiere mit einem Körpergewicht von über 350 kg.

1: Die Quelle kann gerne bei den unten stehenden Kontaktdaten angefragt werden.

Für weitere Informationen wenden Sie sich gerne an:

Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH
Dr. Annette Brune
Tel.: 06132 77184216
annette.brune@boehringer-ingelheim.com

Perspektiven der Schweinehaltung – Thüringer Tierärztetag (2)

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Bericht vom Thüringer Tierärztetag 2018 (2)

Dr. Friedrich Delbeck, Leiter des Schweinegesundheitsdienstes Niedersachsen, hob zu Beginn seines Vortrags hervor, in der Vergangenheit seien die diversen Verordnungen zur Nutztierhaltung als durch Veterinärämter auslegungswürdig betrachtet worden. Anlässlich des Falles Straathof hätte dann allerdings ein Gericht diese Vorgaben ausgelegt und teilweise würde den Ämtern heute die Unabhängigkeit abgesprochen.

Um Nutztierhaltern für Gegenwart und Zukunft Hilfen an die Hand zu geben, hat der SGD deshalb verschiedene Leitfäden erarbeitet. Im „Leitfaden zur Bewertung der Transport- und Schlachtfähigkeit von Schweinen“ geht es dementsprechend um Risikobetrachtung, Tierwohl-Kriterien und die Einzeltier-Beurteilung. Haben Schweine etwa Abszesse oder Gelenkschäden, bei denen absehbar ist, dass sie zum Zeitpunkt der Schlachtung noch vorhanden sein werden, muss der Tierhalter eine Nottötung in Betracht ziehen.

Und auch zu diesem Thema gibt es einen „Leitfaden zur Durchführung der Nottötung von Schweinen in landwirtschaftlichen Betrieben“. Folgende Aspekte stehen dort im Vordergrund:

Wer darf eine Nottötung durchführen?
Wann muss bzw. darf sie durchgeführt werden?
Wie ist eine Nottötung durchzuführen?
Wie sind Kadaver bis zur Abholung ordnungsgemäß aufzubewahren?
Und schließlich: Verfahren zur transparenten Dokumentation der ordnungsgemäßen Durchführung der Nottötung im Betrieb.

Wie wichtig das Thema auch Schweinehaltern ist, zeigt ihre Beteiligung an entsprechenden Schulungen. Mehr als 20 wurden in Niedersachsen innerhalb von drei Monaten angeboten und über 1.000 Landwirte nahmen teil. Hier können Schweinehalter an speziellen Dummies sogar die korrekte Betäubung mittels Kopfschlag und den Entblutungsschnitt üben. Ebenso den fachgerechten Einsatz der Elektrobetäubung. Hier wäre, so Delbeck, ein praxis-gerechtes neues Gerät auf dem Markt und sei mit einem Preis von € 2.300,- auch durchaus erschwinglich.

Auch dieser Leitfaden steht zum Download bereit.

Tierwohl: Beeinflusst die moralische Haltung die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten?

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Welche Menschen sind es, die für höhere Tierwohl-Standards bereit sind, an der Supermarktkasse mehr für Eier und Fleisch zu zahlen? Erstmals haben Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einer Studie untersucht, ob und welche moralischen Haltungen beim Konsum zu Grunde liegen. Die überraschenden Ergebnisse: Es gibt einen großen Wertepluralismus in der Bevölkerung. Und es gibt zahlreiche Menschen, die zwar nichts zahlen wollen, sich aber dennoch um das Wohl von Tieren sorgen. Diese sehen aber vor allem die Politik in der Pflicht, in dieser Sache tätig zu werden und nicht den Konsumenten. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ erschienen.

Die Ökonomik geht grundsätzlich davon aus, dass Menschen utilitaristisch handeln, das heißt in klarer Kosten-Nutzen-Abwägung das für sie Vernünftigste kaufen. Die Auswertung von rund 1.300 Datensätzen aus einer Umfrage zum Tierwohl an der Professur Agrar-, Umwelt- und Ernährungspolitik des Instituts für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU zeigt jedoch, dass diese Annahme für die sogenannten „ethischen Konsumenten“ zu kurz greift. „Es sind nicht alle Menschen gleich gestrickt, nicht alle denken immer an ihren Nutzen“, sagt Ökonomin Dr. Frauke Pirscher, die mit dem Philosophen und Biologen PD Dr. Dr. Ulrich J. Frey die Studie durchführte. Besonders in Fragen des Tierwohls fänden sich in zunehmendem Maße altruistische Haltungen und Tierrechtspositionen in der Bevölkerung. Es stellte sich für die Forscher daher die Frage, ob sich in dieser moralischen Haltung auch eine Zahlungsbereitschaft widerspiegelt oder nicht.

In einer Online-Befragung verknüpften sie zum Beispiel Fragen zur Zahlungsbereitschaft für Eier mit denen nach mehr Platz in den Ställen für Legehennen oder der Bereitschaft, mehr Geld für Schweinefleisch zu zahlen, wenn sicher sei, dass Kastrationen an Schweinen nur mit Betäubung durchgeführt würden. „Wir konnten zeigen, dass vor allem solche Menschen mit einem allgemeinen Umweltbewusstsein auch bereit sind, am meisten für Tierwohl auszugeben“, sagt Pirscher.

Es gibt aber auch eine Anzahl an Menschen – neun Prozent der insgesamt Befragten -, die nicht bereit ist, für Tierwohl zu zahlen. Eine nähere Untersuchung ihrer Motive zeigte jedoch, dass mehr als die Hälfte der Zahlungsverweigerer (60 Prozent) Tierschutz dennoch als moralische Frage ansieht. Sie lehnen es aber ab, moralische Fragen über den Markt – hier in Form von Zahlungsbereitschaft für höhere Tierschutz-Standards – zu lösen. „Das heißt, die Gruppe derjenigen, denen artgerechte Haltung aus moralischen Gründen wichtig ist, ist größer als die, die tatsächlich bereit ist, dafür zu zahlen. Moralische Haltungen spiegeln sich also nicht allein im Marktverhalten der Konsumenten wider“, sagt Pirscher.

Was das bedeutet? „Für wissenschaftliche Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft von Konsumenten heißt das, dass fehlender Zahlungswille nicht automatisch mit Desinteresse gleichzusetzen ist. Für die Politik bedeutet es, dass die moralische Haltung die Akzeptanz oder Ablehnung marktbasierter Regulierungsinstrumente mit beeinflusst“, sagt Pirscher. Bisher habe Ethik in der Betrachtung kaum eine Rolle gespielt.

Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Systematisches Tiergesundheitsmonitoring im QS-System

Gesundheitszustand der Schlachttiere wird vollumfassend erfasst und ausgewertet

In Deutschland wird kein Schwein, Geflügel und Rind geschlachtet, ohne dass seine Organe nach der Schlachtung von einem amtlichen Tierarzt untersucht werden. Im QS-System sind die Erhebung, Dokumentation und Rückmeldung der Organbefunde schon seit langem ein wichtiges Instrument, um die Tiergesundheit zu bewerten und damit einen entscheidenden Beitrag zur Lebensmittelsicherheit zu leisten.

Die bei der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung erhobenen Befunddaten werden seit 2016 in einer zentralen Befunddatenbank bei QS erfasst. Alle Schlachtbetriebe mit Schweineschlachtungen geben umfassende Daten an die QS-Befunddatenbank weiter. Allein im Jahr 2018 sind das bisher Ergebnisse von 30 Millionen Schlachtschweinen. Damit werden 95 Prozent der wöchentlich in Deutschland geschlachteten Tiere erfasst – ein flächendecken-des und systematisches Tiergesundheitsmonitoring.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen ein deutlich besseres Bild, als kürzlich in Presseveröffentlichungen unterstellt wurde: 90,2 % der Mastschweine haben eine gesunde Lunge. 93,7% zeigen keine Auffälligkeiten am Herzbeutel, 89% haben keine Veränderungen an der Leber. Gelenkveränderungen wurden nur bei 1% der angelieferten Mastschweine festgestellt. Zahlen, die sich eindeutig von den in der Veröffentlichung von Greenpeace, Vier Pfoten und foodwatch unterscheiden.

Der Tiergesundheitsindex
Für Tierhalter und Tierärzte sind Schlachtbefunddaten wichtige Indikatoren für Tierschutz und Tiergesundheit im Betrieb. Sie liefern wertvolle Hinweise sowohl auf Erkrankungen der Tiere als auch auf Defizite in der Fütterung und im Management. Zum 1. August 2018 wurde erstmals der Tiergesundheitsindex (TGI) für alle Schweinemastbetriebe im QS-System berechnet. Dieser zeigt die Ergebnisse aus den Schlachtungen des 1. Halbjahres 2018. Damit haben die
Landwirte die Möglichkeit, die Schlachtbefunde ihrer abgelieferten Tiere zu bewerten und sich mit den anderen Landwirten zu vergleichen. Grundlage für den Index sind die Ergebnisse der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung.

Die Werte liegen zwischen 0 und 100. Gute Schlachtkörperbewertungen ergeben einen höheren Wert, Auffälligkeiten führen zu Abwertungen. Werden niedrige Werte aufgrund von Befund-raten festgestellt, sollte der Landwirt mögliche Defizite in seinem Betrieb identifizieren und prüfen, ob betriebliche Maßnahmen, wie beispielsweise eine Änderung der Klimaführung im Stall, notwendig sind.

Befunddatenerfassung bei Geflügel
Bei Geflügel werden im QS-System für jede Schlachtpartie Daten zur Fußballengesundheit, zur Mortalität beim Tiertransport und zur Mortalität im Mastbetrieb erhoben. Der Zustand der Fuß-ballen ermöglicht eine Einschätzung zu Einstreu, Klima, Futter, Darmgesundheit, Herdenmanagement zu geben. Die Mortalität im Bestand lässt Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Herde zu. Anhand der Transportverluste konnten teilweise Aussagen zur Vitalität der Herde und zur Häufung des Anteils geschwächter Tiere getroffen werden. Seit Anfang 2018 werden die Befunddaten bei der Schlachtung von Puten und Masthähnchen in einer Befunddatenbank erfasst. Erste Einschätzungen von Experten zeigen, dass der Anteil der Geflügelherden mit einem hohen Anteil an Fußballenveränderungen, der als Indikator für Defizite in der Tierhaltung herangezogen werden kann, gering ist.

Quelle: QS Qualität und Sicherheit GmbH

Afrikanische Schweinepest im Herzen Europas angekommen

Zum Fund von toten Wildschweinen im Dreiländereck Frankreich, Luxemburg, Belgien etwa 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, bei denen Afrikanische Schweinepest festgestellt wurde nimmt das BMEL Stellung:

„Bisher gibt es noch keinen Fall in Deutschland. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft steht in ständigem Austausch mit den belgischen Behörden und der EU-Kommission.

Dazu erklärt die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner: „Die neue Situation nehme ich sehr ernst. Die Afrikanische Schweinepest stellt seit längerem auch für Deutschland eine Bedrohung dar und unsere Vorbereitung für den Krisenfall laufen. Die rechtlichen Instrumente liegen vor, um die Afrikanische Schweinepest zu bekämpfen. Bereits im Juni habe ich ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem die bestehenden Maßnahmen ergänzt werden und ein Ausbruch der ASP bei Wildschweinen noch effektiver bekämpft werden kann. Das Gesetzesvorhaben steht kurz vor dem Abschluss. Jedoch Prävention steht an erster Stelle. Hier ist insbesondere Aufklärung gefragt, denn es sind vor allem Menschen, die einer Seuchenverbreitung

Vorschub leisten, indem sie zum Beispiel Speisereste mit ASPkontaminierten Schweinefleischerzeugnissen unachtsam entsorgen – eine Infektionsquelle für Wildschweine. Deshalb haben wir eine mehrsprachige Aufklärungskampagne gestartet. Hier informieren wir online und mit Flyern und Plakaten auch an Tank- und Rastplätzen.“

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft weist erneut auf die strikte Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen in den Schweine haltenden Betrieben hin und insoweit auf die Vorgaben der Schweinehaltungshygieneverordnung. Zudem werden die Jagdausübungsberechtigten aufgefordert, verendet aufgefundene Wildschweine den jeweils zuständigen Behörde anzuzeigen, um eine entsprechende Untersuchung sicherzustellen.

Hintergrund:

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine schwere Virusinfektion, die ausschließlich Schweine, also Wild- und Hausschweine, betrifft und für sie tödlich sein kann. Für den Menschen ist sie ungefährlich. ASP stellt eine große Herausforderung für die Staaten der Europäischen Union dar. Deutschland setzt bereits seit Längerem auf Prävention. Vergangene Woche wurde im Kabinett ein neues Tierseuchengesetz verabschiedet, um im Fall eines Ausbruches schnell und gezielt handeln zu können.

Bisher hat es keine Fälle von ASP in Deutschland gegeben. Polen ist seit mehreren Jahren stark von ASP-Ausbrüchen in der Wild- und Hausschweinepopulation betroffen. Die Verbreitung des ASP-Virus in den Großraum Warschau fand aller Wahrscheinlichkeit durch das unachtsame Entsorgen von kontaminierten Lebensmittelabfällen statt. Das ist auch eine Gefahr für das Einschleppen der Tierseuche nach Deutschland.

Gesetz zur Änderung des Tiergesundheitsgesetzes und des Bundesjagdgesetzes Mit Artikel 1 werden die Ermächtigungsgrundlagen des Tiergesundheitsgesetzes erweitert. Dies ist notwendig, um weitergehende zur Tierseuchenbekämpfung erforderliche Maßnahmen vorsehen zu können.

Es handelt sich dabei insbesondere um folgende Maßnahmen:

+ Maßnahmen zur Absperrung eines von der zuständigen Behörde zu bestimmenden Gebietes, z. B. durch Umzäunung,

+ Beschränkung des Personen- oder Fahrzeugverkehrs für bestimmte Gebiete,

+ Beschränkungen und Verbote der Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen, beispielsweise ein Ernteverbot mit dem Ziel, eine Auswanderung von Wildschweinen zu vermeiden,

+ Anordnung einer vermehrten Fallwildsuche, um die Infektionsmöglichkeiten gesunder Wildschweine zu minimieren,

+ Durchführung einer verstärkten Bejagung durch andere Personen als den Jagdausübungsberechtigten.

Mit der Änderung des Bundesjagdgesetzes (Artikel 2) sollen die Länder die Möglichkeit erhalten, Ausnahmen für die Jagd in Setz- und Brutzeiten auch aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung bestimmen zu können.“

Weitere Informationen des BMEL

Das Bundesinstitut für Risikobewertung versichert, es bestünde keine Gefahr für Verbraucherinnen und Verbraucher und veröffentlichte eine ausführliche Stellungnahme sowie Fragen und Antworten zur Afrikanischen Schweinepest (ASP)

Folgen des Verzichts auf Schnabelkürzen bei Legehennen – Tierschutztagung (5)

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Bericht von der TiHo-Tierschutztagung 2018 (5)

Prof. Dr. Robby Andersson (Hochschule Osnabrück) beleuchtete die bisherigen Erfahrungen in der Haltung von Legehennen mit intakten Schnäbeln.

In der Regel sei die Mortalität doppelt so hoch, wie früher – aber nicht in jedem Stall und nicht bei allen Haltern. Für die verschiedenen Haltungsformen, Systeme und Herdengrößen seien derzeit keine eindeutigen Einflüsse nachweisbar. Ebenso wenig für die Genetik in Bezug auf Federpicken und Kannibalismus.

Der Aufwand steige erheblich, sagte der Wissenschaftler, vor allem sei mehr Zeit im Stall und damit mehr qualifiziertes Personal erforderlich (und das ist ein Problem). Es brauche ein Frühwarnsystem, das Wissen um die Risikofaktoren und die geeigneten Gegen-maßnahmen (Futter, Wasser, Stallklima, Licht). In dunklen Ecken lägen z. B. mehr Bodeneier und dies habe vermehren Kloaken-Kannibalismus zur Folge. Erfahrene Betriebe erreichten aber mittlerweile die gleichen Ergebnisse, wie mit schnabelbehandelten Hennen, sagte Andersson.

Die Anforderungen an die Futterqualität wären gestiegen, ebenso der Futterbrauch. Das Futterangebot müsse um ca. 5% höher liegen, weil die Futterselektion mit ungekürzten Schnäbeln höher ist (Schnabelsensibilität). Ein anderes Futtermanagement sei nötig, ebenso wie eine gute Nährstoffversorgung (im Hinblick auf die diesjährige Ernte müsse man sich hierüber allerdings Sorgen machen).

Die Haltungsbedingungen müssten optimiert werden, insbesondere die Temperaturführung (Kühlung), die Einstreuqualität sei wichtig und der Lichteinsatz ändere sich – es wird dunkler im Stall.

Mit dem Verzicht auf Schnabelkürzen steigen die Kosten, bisher aber nicht die Erlöse. Beim Futter lägen die Kosten um € 5-6/dt über denen des Vorjahres, die Personalkosten stiegen und – bei geringeren Erträgen –  fiele schließlich auch weniger Mist an, der verrechnet werden könnte.

Erfolg könnten Landwirte nur haben, wenn die Mehrkosten durch den Verzicht auf Schna-belkürzung am Markt ausgeglichen würden. Der Professor beziffert sie auf 1-3 Ct. je Ei.

Haltung von Bruderhähnen – Tierschutztagung (4)

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Bericht von der TiHo-Tierschutztagung 2018 (4)

Dr. Mona F. Giersberg (TiHo) berichtete über Erfahrungen mit der Haltung von Bruder-hähnen, von denen im Jahr 2015 etwa 100.000 in Deutschland aufgezogen worden seien. Für 2018 gibt es Schätzungen von 270.000 (Giersberg) bis 700.000 (Andersson, Osnabrück).

Im Prinzip sei die Haltung der männlichen Tiere unproblematisch und erfolge meist nach Bio-Richtlinien: mit und ohne Auslauf, Wintergärten und in Ställen mit Strohballen und Sitzstangen. Agonistisches Verhalten trete mit zunehmendem Alter zwar vermehrt auf, sei aber mit Pickblöcken, Heukörben und Sandbadeboxen beherrschbar.

Die Mortalitätsraten seien mit 1-2% zu vernachlässigen und die Tiergesundheit gut zu erhalten, auch wenn teilweise Nachimpfungen nötig würden. (Prof. Andersson merkte in der Diskussion hierzu an, dass Fälle von Marekscher Krankheit aufträten, weil die Hähne älter werden – Marek-Symptome zeigen sich gewöhnlich ab der 13. Lebenswoche.).

Bruderhähne werden zwischen 8,5 und 20 Wochen lang gemästet, in der Bio-Haltung durchschnittlich 17 Wochen und mit einem Lebendgewicht zwischen 1,3 und 1,5 kg geschlachtet. Die Tageszunahmen liegen bei 9-13 Gramm (Bio) bzw. 18-20 Gramm (konventionell), die Futterverwertung zwischen 4:1 und 10:1.

Wenn die Hähne nicht zur Eigenschlachtung für den Hofladen kommen, sollten sie – aufgrund ihrer Körpereigenschaften – an Legehennen-Schlachthöfe geliefert werden. Verkaufspreise über € 10,-/kg seien am Markt nicht zu erzielen, aber nie kostendeckend. Hier sei eine Subventionierung über die Eier notwendig.

Die größte „Herausforderung“ in der Haltung von Bruderhähnen, liege in der ökologischen Nachhaltigkeit: beim Futterverbrauch und der Haltungsdauer. Insgesamt sei der Bruder-hahn aber eine Brückenlösung, da konventionelle Betriebe für die Zukunft auf die in-ovo-Bestimmung setzen und Bio-Betriebe auf Eigenzüchtung von 2-Nutzungs-Hühnern.

Lahmheit bei Milchkühen – Thüringer Tierärztetag 2018 (1)

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Bericht vom Thüringer Tierärztetag 2018 (1)

„Lahmheit bei Milchkühen – Normalität oder tierschutzrelevanter Tatbestand?“ fragte    Prof. Dr. Kerstin E. Müller (FU Berlin) in ihrem Vortrag anlässlich des 13. Thüringer Tierärztetages in Weimar. 

Lege man den Maßstab des Animal-Welfare-Konzepts für die Milchkuh an, nach dem es ihr möglich sein soll, mit ihren Lebensbedingungen zurechtkommen, keine Schmerzen zu erleiden und ihr angeborenes Verhalten auszuleben, seien bei Lahmheit im Grunde alle  „Fünf Freiheiten“ eingeschränkt.

1) Freisein von Hunger und Durst
Magere Kühe werden häufiger lahm, lahme Kühe sind häufiger mager
Lahme Kühe gehen seltener zum Futterplatz

2) Freisein von Unbehagen
Zeitbudget einer lahmen Kuh ist verändert
Aufstehen und Abliegen wird erschwert

3) Freisein von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten
Erhöhtes Schmerzempfinden lahmer Kühe
Beteiligung tiefer gelegener Strukturen an der Klaue und sekundäre Krankheiten (Festliegen)

4) Freisein zum Ausleben der normalen Verhaltensweisen
Lahme Kühe sinken in der Rangordnung

5) Freisein von Angst und Leiden
Behandlung durch Mitarbeiter (Nachtreiben, Klauenstand, Ausrutschen)

Lahmheit sei Symptom, nicht Krankheit und in der Regel eine Schmerzäußerung. Wie weit die funktionsgerechte Benutzung einer oder mehrerer Gliedmaßen eingeschränkt ist, kann (nach Sprecher) mithilfe von fünf Scores beurteilt werden.

Kürzlich wurde die Lahmheitsprävalenz von zigtausend Kühen in Sachsen und anderen Teilen Deutschlands  untersucht und dabei festgestellt, dass Landwirte selbst das Wort „lahm“ eher nicht benutzen. Sie sprächen häufig davon, dass die Kuh „irgendwie komisch läuft“ und offenbarten damit, dass ihnen das rechte Problembewusstsein eher fehle.

Vom Grad der Schmerzhaftigkeit schienen viele falsche Vorstellungen zu haben, so die Professorin. Wird Score 4 oder 5 festgestellt, sei dies aber immer tierschutzrelevant! Das Klauenproblem muss bereits längere Zeit vorliegen und bei den beiden höchsten Werten sind immer tiefergelegene Strukturen betroffen. In solchen Fällen seien Tierarzt und Anästhesie gefragt und nicht mehr nur der Klauenpfleger. Die Verantwortung dafür hier die richtigen Schlüsse zu ziehen, liege aber immer bei Tierhalter und Klauenpfleger. „Wo das Leben beginnt, hört die Arbeit des Klauenpflegers auf“, sagte die Professorin.

Bei Score 5 liege der Richtwert bei 1%, eigentlich sollte er aber bei null liegen. Als geeignete Zielvorgaben nannte Prof. Müller für Score 1 = 65%, Score 2 = 20%, Score 3 = 11%, Score 4 = ≤ 5% und Score 5 = 0%.