Eines der interessantesten Diskussionspanel der diesjährigen EuroTier dürfte jenes zu Bruderhähnen und Zweinutzungshühnern gewesen sein. Alina Kathrin Lückemann (Netzwerk Fokus Tierwohl), Dr. Eva Moors (LAVES), Prof. Dr. Silke Rautenschlein (TiHo Hannover), Carsten Bauck (Demeter Bauckhof GmbH), Prof. Dr. Rudolf Preisinger (EW Group) beleuchteten hier die Zukunftsperspektiven für die Zeit nach dem Verbot des Kükentötens ab 1. 1. 2022.
Zwar wurden 2020 in Deutschland bereits 5 Mio. Bruderhähne aufgezogen, aber bisher gäbe es keine speziellen gesetzlichen Vorgaben für die Mast dieser Tiere gab Alina Lückemann zu bedenken, wozu Dr. Eva Moors anmerkte, das TierSchG sei Grundlage für jegliche Tierhaltung und dort stünde, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen gemäß ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden müssen.
Die TierSchNutztV regele dann konkret die Anforderungen für Legehennen und Masthühner und so seien eben auch Bruderhähne als Masthuhn einzuordnen. Aufs Verhalten bezogen seien Bruderhähne aber nicht mit Masthühnern zu vergleichen, wären sie doch wesentlich agiler und kämpferischer. Sie brauchten eine strukturierte Haltungsumwelt, erhöhte Sitz- und Ruhemöglichkeiten und Beschäftigungsmaterial. Die Besatzdichte ist lt. Verordnung für die Mast auf max. 29 kg/qm festgelegt, was aber für Bruderhähne sehr kritisch zu betrachten sei. Momentan fänden auf Bundesebene erste Gespräche zum Thema Mindestanforderungen zur Aufzucht von Bruderhähnen statt, verriet die Geflügel-Spezialistin des LAVES.
Bei Demeter dürfen in festen Gebäuden 16 kg/qm, in Mobilställen 18 kg/qm gehalten werden und 18 kg stellen für Carsten Bauck auch sicher die Obergrenze dar. Sobald Hähne anfingen ein Revierverhalten auszubilden und auszuleben, müsse ein Stall sinnvoll strukturiert sein und die Hähne beschäftigt werden.
Überall, auch im Bio-Bereich, dominiert Brustfleisch das Hähnchenfleischgeschäft und sowohl Bruderhähne also auch Zweinutzungshühner seien doch relativ schmalbrüstig leitete Prof. Preisinger zum nächsten Punkt über. Der Abstand zu reinen Mastlinien würde sich, dank weiterer Zuchtanstrengungen, zwar noch verringern, aber doch immer signifikant bleiben. In Österreich würden im Biobereich z. B. Hähne der Rasse Lohmann Sandy nur bis 1.000 g Lebendgewicht aufgezogen, was aber spezielle Schlachttechnik erfordere, die ein normaler Schlachthof nicht vorhält.
Auf die Frage, worauf wir uns gefasst machen müssen, wenn die in-ovo-Geschlechtsbestimmung flächendeckend eingesetzt wird, warnt Preisinger, die Branche müsse sich „intensivst“ mit der Hahnenaufzucht auseinandersetzen! Auch wenn wir sehr bald eine flächendeckende Geschlechtsbestimmung bekommen sollten, führe eine Fehlerquote von 2 % oder gar 5 % zum Schlupf einiger Millionen Hähne, die dann auch adäquat aufgezogen werden müssten!
Beim Bauckhof koste ein ganzes Hähnchen € 25 bis € 30,- Euro und der Bruderhahn wäre dann (bei 20 Wochen Aufzucht und einer Futterverwertung von 5:1) nochmals deutlich teurer. Bruderhahn schmecke auch anders als das gewohnte Hühnerfleisch, er brauche nicht nur länger im Stall, sondern auch in der Küche. Idealerweise würde er zum „Coq au vin“ geschmort und niemals kurzgebraten: „Aber wer hat heute überhaupt noch einen Römertopf?“ fragte Carsten Bauck. Ansonsten bleibt noch die Verarbeitung zu Wurst und Frikadellen.
Ganz anders verhielte es sich mit dem Zweinutzungs-Hahn, sagt Carsten Bauck; der sei viel näher an der Verbrauchererwartung.
An der TiHo wurden schon Mastdurchgänge mit Hähnen aus den Linien Lohmann Brown und Lohmann Dual durchgeführt. Die Brown-Hähne erwiesen sich dabei als noch aktiver als Dual, beide Linien seien für den Landwirt sehr umgänglich gewesen und hätten auch Abgangsraten jeweils unter 2% gehabt, Dual noch weniger als Brown berichtete Prof. Silke Rautenschlein.
Aber: welche Bedeutung haben Zweinutzungshühner heute? Mit weniger als 0,1% des Tierbestands in Deutschland praktisch keine, antwortete Prof. Rudolf Preisinger! In der Schweiz würden etwa 10.000 gehalten und die TiHo sei zweitweise Deutschlands größter Abnehmer gewesen.
Im Öko-Bereich sieht Carsten Bauck zukünftig keine Alternative zum Zweinutzungshuhn, denn der Bruderhahn sei lediglich eine Brücken-Lösung, weil er nur ein Symptom bekämpfe. „Wir erzeugen mit Futter was wir nicht haben, in Ställen die wir eigentlich auch nicht haben, ein Tier mit dem umzugehen auch der Kunde Probleme hat“.
Aber auch mit dem Zweinutzungshuhn wird es mit dem „günstigen Bio-Ei“ vorbei sein, prognostiziert Carsten Bauck: „Bei Mobilstall und 100% Bio-Fütterung reden wir schnell von 80-90 Cent fürs Ei.“
Weitere Informationen:
Vortrag von Prof. Rudolf Preisinger „Legehennen, Bruderhähne, Geschlechtserkennung im Ei“ von 2019
Vortrag von Dr. Julia Malchow: „Eignet sich das Zweinutzungshuhn als Alternative in Mast und Eierproduktion?“ Bericht von der Geflügeltagung 2019