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Neues Syndrom beim Schwein: SINS #Bioland Schweinefachtagung 2022

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Anlässlich der diesjährigen Bioland Schweinefachtagung referierte Prof. Gerald Reiner (Klinik für Schweine der Universität Gießen) zum „Swine Inflammation and Necrosis Syndrom (SINS)“.

Dieses Entzündungs- und Nekrose-Syndrom zeigt sich gleichzeitig an verschiedenen Körperteilen: Schwanz, Ohren, Zitzen, Klauen, Kronsaum und kann bei Ferkeln sogar schon vor der Geburt nachgewiesen werden! Histologisch konnten, bei intakter Oberhaut, Blutgefäß-assoziierte Entzündungen vom Neugeborenen bis zum Mastschwein nachgewiesen werden.

Prof. Dr. Gerald Reiner

Bakterielle Abbauprodukte aus überlastetem einem Darm und der Leber führten zu massiven Entzündungen mit Läsionen, Schwanzverlust, Stoffwechselentgleisungen und natürlich Schmerzen, Leiden, Schäden Schweinen aller Altersstufen, sagte Prof. Reiner.

Die Kotstauung im Dickdarm (Koprostase) der Sau bestimme SINS der Ferkel! Zu allererst könne Darmstabilisierung helfen und folgende Maßnahmen:

• Thermoregulation unterstützen
(Mikrosuhle, wärmeableitenden Bodenbereiche, kein Tiefstreu

• Wasserversorgung optimieren
(Schalentränken mit Anlernfaktor, offene Flächen, Wasser-Hygiensierung, Keimkontrolle)

• Fütterung
Können die Ferkel nach dem Umsetzen überhaupt fressen?
Mehr und besseres Rohfaserangebot
Reduktion von Mykotoxinen (zusätzlich Luzerne und Urgesteinsmehl)

• Früherkennung der Tiersignale für SINS an Klauen, Ohren und Gesicht

Aber auch die Genetik von Sauen und Ebern spielt eine Rolle! Die gute Nachricht laute hier jedoch: Gezielte Eber-Auswahl bringt Erfolg. In der Genetik müsse „Optimum statt Maximum“ das Ziel sein, riet der Gießener Professor. Und (auch) bei SINS gelte ein ganzheitlicher Ansatz, von Thermoregulation, Wasserversorgung- und -qualität bis zu Futterzusammensetzung, Luftqualität und Stressvermeidung!

Antibiotika-Abgabemenge sinkt im Jahresvergleich 2020/2021 um 14,3%

Mengen für Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Makrolide und Polypeptidantibiotika auf niedrigstem Wert seit 2011

Die Menge der in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika ist in Deutschland im Jahr 2021 merklich zurückgegangen. Wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mitteilt, wurden insgesamt 601 Tonnen Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte abgegeben – 100 Tonnen weniger als im Vorjahr (minus 14,3 %). Das ist die deutlichste erfasste Abnahme der Abgabemengen seit 2016. Im Vergleich zu 2011, dem ersten Jahr der Erfassung, bedeutet dies ein Rückgang der insgesamt abgegebenen Antibiotikamenge um 65 %.

© Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 601 Tonnen (t) Antibiotika von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgegeben. Die größten Anteile nehmen wie in den Vorjahren die Penicilline (235 t) und Tetrazykline (125 t) ein, gefolgt von Sulfonamiden (64 t), Polypeptidantibiotika (51 t) und Makroliden mit 46 t.

Für die Mengen abgegebener Cephalosporine der 3. und 4. Generation (1,2 t; -7,7 %), Fluorchinolone (5,6 t; -13 %), Polypeptidantibiotika (Colistin; 51 t; -15 %) und Makrolide (46 t; -24 %), welche von der WHO als Wirkstoffe mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen (Highest Priority Critically Important Antimicrobials for Human Medicine) eingestuft werden, sind im Vergleich zum Vorjahr deutliche Rückgänge zu verzeichnen. Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Fluorchinolone und Colistin sind auch nach der Kategorisierung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA; AMEG-Kategorisierung) nur beschränkt in der Tiermedizin einzusetzen. Alle erfassten Abgabemengen der genannten Wirkstoffklassen sind auf dem niedrigsten Wert seit 2011.

© Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Die gemeldeten Wirkstoffmengen lassen sich einzelnen Tierarten nicht zuordnen, da die Mehrzahl der Tierarzneimittel, welche diese Wirkstoffe enthalten, für die Anwendung bei verschiedenen Tierarten zugelassen ist. Das neue, seit Januar 2022 anzuwendende Tierarzneimittelrecht sieht jedoch vor, dass künftig auch die Anwendungen antimikrobieller Arzneimittel bei Tieren erfasst werden. Gemäß §57 der EU-Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6 müssen die Daten für die ersten Tierarten (Rind, Schwein, Huhn, Pute) ab 2023 erfasst werden, weitere Tierarten werden ab 2027 folgen.

Hintergrund
Tierarzneimittel wie Antibiotika werden eingesetzt, um kranke Tiere zu behandeln. Dies ist erforderlich, um die Tiergesundheit und den Tierschutz sicherzustellen und den Menschen vor Zoonosen (auf Menschen übertragbare Tierkrankheiten) zu schützen.

Die Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt eine globale Bedrohung dar, in der Human- und in der Veterinärmedizin. Der Transfer von antibiotikaresistenten Bakterien und/oder der Transfer von Resistenzgenen sind wechselseitig zwischen Mensch und Tier möglich.

Seit dem Jahr 2011 sind pharmazeutische Unternehmen und Großhändler gesetzlich dazu verpflichtet, die Mengen an Antibiotika, die jährlich an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgeben werden, zu melden. Diese Daten werden im Tierarzneimittel-Abgabemengen-Register (TAR) erfasst. Aufgrund von gesetzlichen Neuerungen und deren Umsetzung ist das TAR seit dem 1. Januar 2021 vom Geschäftsbereich des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in den Geschäftsbereich des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übergegangen und damit einhergehend alle Aufgaben der Datenerfassung und Auswertung. Für die zu erfassenden Abgabemengen im Jahr 2022, welche 2023 ausgewertet werden, gelten die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere § 45 Abs. 6 Tierarzneimittelgesetz in Verbindung mit Artikel 57 der EU-Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6.

Quelle: BVL

22. AVA-Haupttagung vom 05. – 08. Oktober 2022 in Bad Salzschlirf

Bei der 22. AVA-Haupttagung in Bad Salzschlirf (Nähe Fulda) steht die Praxisnähe der Vorträge in der Rinder- und Schweinesektion im Vordergrund. Das AVA-Generalthema „Bestandsbetreuung im Rinder- und Schweinebetrieb zeigt wieder einmal die Vielzahl der Facetten einer modernen tierärztlichen Bestandsbetreuung nach neuester tiermedizinischer und landwirtschaftlicher Wissenschaft.

Sie kennen die AVA-Haupttagungen? – Sie erhalten wertvolle praktische Hinweise und Tipps, die direkt für die tägliche tierärztliche Arbeit auf den Betrieben umsetzbar sind. Wenn Sie sich das AVA-Gesamtprogramm inkl. dem Workshop-Programm anschauen, finden Sie in den jeweiligen Sektionen die Referenten mit den „spannenden“ Vortragsthemen.

In der GEMEINSAMEN SEKTION (Rind + Schwein) am Abend des 06.10.22 (19.00–22.00 h) referiert Prof. Windisch (München) zum Thema: Landwirtschaftliche Nutztierhaltung am Ende – sind wir in einer Sackgasse?

Der „AMG-Spezialist“, Rechtsanwalt Dr. Hansen (Starnberg) wird ausgiebig mit dem Auditorium zu folgendem tierärztlich jur. Thema vortragen und diskutieren: Tierärztlich relevante Gesetzesvorgaben und -änderungen auf deutscher und europäischer Ebene. Auswirkungen auf die tägliche Arbeit des Nutztierpraktikers – können Tierärzte/-innen gesetzeskonform ihrer tierärztlichen Aufgabe noch vollständig nachkommen?

Die AVA-Haupttagung, mit den Workshops und Vorträgen, ist bis zu 29 Stunden als Fortbildung nach den ATF-Statuten, in der Schweinesektion auch als Fortbildung nach der Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV), genehmigt.

Wir würden uns freuen, Sie persönlich auf der 22. AVA-Haupttagung begrüßen zu dürfen.

Ihr AVA-Team

Alle weiteren Infos finden Sie hier.

Quelle: AVA

Tiertransporte auf kurzen Strecken optimal planen und durchführen

Leitfaden mit Hinweisen und Hilfestellungen ist online verfügbar

Wie kann ein Tiertransport optimal ablaufen? Die Projektgruppe „Transport“ der Niedersächsischen Nutztierstrategie – Tierschutzplan 4.0 hat einen Leitfaden für einen optimierten Tiertransport auf kurzen Strecken fertiggestellt.

Er enthält Hinweise und Hilfestellungen für alle an Planung, Vorbereitung und Durchführung von Tiertransporten beteiligten Unternehmen und Personen. Das Ziel des Leitfadens besteht darin, die fachlichen Inhalte zu erläutern. Darüber hinaus soll er motivieren, den Ablauf der Tiertransporte bereits im Vorfeld, aber insbesondere während der Durchführung, kritisch zu reflektieren.

Um einen problemlosen Transport zu gewährleisten, werden unter anderem die Belastungsfaktoren für Tiere beim Transport erläutert. So berücksichtigt das Kapitel „Planung von Transporten“ vor allem die klimatischen Einflüsse, die bei Transporten auf die Tiere wirken können.

Der Durchführung von Transporten und möglichen Hilfestellungen in Notsituationen wird ebenfalls ein Kapitel gewidmet. Dort wird aufgezeigt, wie das Ver- und Entladen der Tiere ordnungsgemäß abläuft, welche Aspekte während der Fahrt zu beachten sind und wie einer Beeinträchtigung des Wohls der transportierten Tiere beim Auftreten unvorhersehbarer Ereignisse vorgebeugt werden kann (zum Beispiel Verkehrsstau).

Die Projektgruppe setzt sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern des Niedersächsischen Landkreistages, des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, des Vieh- und Fleischhandelsverbandes, des Landvolk Niedersachsen Landesbauernverbandes, des Deutschen Tierschutzbundes Landestierschutzverband Niedersachsen, der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch, der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft Landesverband und des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums.

Der Leitfaden steht hier zur Verfügung und kann beim Landwirtschaftsministerium auch als Druckversion bestellt werden.

Quelle: Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

BbT: Eklatanter Personalmangel gefährdet Tierwohl in Schlachtbetrieben und regionale Lebensmittelproduktion

Über Jahrzehnte stellten Nutztierpraktiker das Rückgrat der ambulanten amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung dar. Der weit fortgeschrittene Strukturwandel in den Landkreisen führt jedoch dazu, dass in der Fläche weniger Tierärzte der Nutztierpraxis tätig sind. Durch diesen Personalwegfall konzentriert sich auch die amtliche Tätigkeit in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung auf wenige Tierärzte In einer Abwärtsspirale führt der Personalmangel zu immer längeren, nicht vergüteten Anfahrtszeiten, so dass die Vergütung bei Schlachtungen mit geringen Stückzahlen rasch weit unter dem Niveau des Mindestlohns liegt und in höchstem Maß unattraktiv wird. Auch Nachwuchs-Tierärzte schreckt das ab. „Gerade in Zeiten, in denen Tierwohl und regionale Wertschöpfung durch die Gesellschaft gefordert, politisch gestärkt und unterstützt werden sollen, müssen die passenden Rahmenbedingungen für den Erhalt der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung in der Fläche geschaffen werden“, meint Dr. Holger Vogel, Präsident des Bundesverbands beamteter Tierärzte (BbT).

Der BbT fordert deswegen Änderungen des Tarifvertrags-Fleischuntersuchung (TV Fleisch*), um Anreize für Tierärzte zu schaffen, eine amtliche Tätigkeit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung zu übernehmen.

Forderungen:
Die amtliche Tätigkeit umfasst die Überwachung des Tierschutzes und der Schlachthygiene. Diese durch EU-Recht definierte Aufgabe amtlicher Tierärzte, muss sich auch im Tarifvertrag wiederfinden. Außerdem muss die Vergütungssituation verbessert werden – das betrifft u. a. die Vergütung der Fahrzeit zu und von Schlachtstätten (ausgenommen Großbetriebe) analog zum Probentransport, die Vergütung der Rüstzeiten (An- und Ablegen der Arbeitsschutz- und Hygienekleidung vor Ort) und auch die Vergütung der fachlich erforderlichen Fortbildungszeiten und damit in Zusammenhang stehende Reisezeiten und Kosten. Überdies müssen amtliche Tierärzte in Großbetrieben bei Stilllegung des Betriebs abgesichert werden. Hier wird eine Entgeltfortzahlung bei ganztägigem Arbeitsausfall infolge Betriebsstörungen, bei Stilllegung und infolge behördlicher Maßnahmen bis zu einer Dauer von sechs Wochen vorgeschlagen.

Diese Anpassungen sind aus Sicht des BbT erforderlich, um auch in Zukunft ein hohes Niveau an gesundheitlichem Verbraucherschutz und Tierschutz in einer regionalen und kleinteiligen Lebensmittelproduktion in Deutschland zu gewährleisten.

* Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der Fleischuntersuchung

Quelle: Bundesverband beamteter Tierärzte

Neues aus der Bienenforschung: Wärmeproduktion von Honigbienen

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Wenn wir Menschen frieren, dann zittern wir. Dadurch erzeugt der Körper Wärme. Honigbienen machen es ganz ähnlich: Sie lassen ihre Flugmuskeln zittern und produzieren dadurch Wärme. Welche chemischen Vorgänge hier bei der Honigbiene zugrunde liegen, konnte bislang nicht geklärt werden. Ein Team am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg hat hierzu nachgeforscht – und mit seinen Ergebnissen eine große Forschungslücke geschlossen.

Die Thermogenese – also das aktive Produzieren von Körperwärme – ist für Honigbienen nicht nur für das eigene Überleben wichtig. Es hat auch eine große soziale Bedeutung. Denn in erster Linie hilft die Thermogenese die Temperatur im Bienenstock optimal einzustellen. Das ist wichtig, um im Sommer konstante Brutbedingungen zu schaffen und im Winter überleben zu können.

Octopamin ist der Schlüssel
Bisherige Forschungsarbeiten deuteten darauf hin, dass Octopamin bei der Thermogenese eine wichtige Rolle einnimmt. Diese Substanz ist chemisch dem Adrenalin äußerst ähnlich und hat bei Insekten auch ähnliche Funktionen. Daher hat das Team um Dr. Markus Thamm und Sinan Kaya-Zeeb vom Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie der JMU Octopamin näher unter die Lupe genommen.

In seinen Untersuchungen konnte das Forschungsteam zeigen, dass Octopamin und seine Rezeptoren im Flugmuskel der Honigbiene vorkommen. „Ist das Octopamin hier aber nicht in ausreichender Menge vorhanden oder die entsprechenden Octopamin-Rezeptoren sind blockiert, zeigen die Tiere eine verminderte Körpertemperatur“, erklärt Thamm.

Das Team hat daher Octopamin in den Flugmuskel injiziert, und die Körpertemperatur konnte wieder ansteigen: Laut Thamm aktiviert das Octopamin Rezeptoren, die verschiedene Signalwege im Muskel aktivieren. „Diese kurbeln höchstwahrscheinlich die Glykolyse an – den Mechanismus, der den Treibstoff für die energiehungrige Arbeit der Muskelproteine während der Thermogenese liefert.“
„Wir konnten damit als Erste zeigen, dass Octopamin im Flugmuskel überhaupt vorkommt und einen wichtigen Anteil zur Regulation der Thermogenese beiträgt“, so der Würzburger Biologe. Als nächstes will das Team untersuchen, wie robust das Octopamin-System der Honigbienen ist. „Zentrale Fragen sind dann für uns: Wie reagiert das System bei schnellen Temperaturveränderungen? Oder was passiert bei Extremtemperaturen, zum Beispiel im Winter?“

Grundlegende Physiologie verstehen
Für unsere Ökosysteme spielen Insekten eine große Rolle, zum Beispiel als Bestäuber. Und Honigbienen sind in Deutschland auch für die Nahrungsproduktion von großer Bedeutung. „Wenn wir die Auswirkungen des Klimawandels auf Insekten verstehen wollen, ist es notwendig, die grundlegende Physiologie zu verstehen. Das schließt im Fall der Honigbiene unbedingt die Thermogenese mit ein“, sagt Kaya-Zeeb.

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Bundesregierung beschließt Änderung des Tierarzneimittelgesetzes

Einsatz von Antibiotika besser erfassen und dauerhaft senken

Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zur Änderung des Tierarzneimittelgesetzes beschlossen.

Im Wesentlichen wird die Aktualisierung und Erweiterung des nationalen Antibiotika-Minimierungskonzepts implementiert, um den wirkstoff- und anwendungsbezogenen Einsatz von Antibiotika in landwirtschaftlichen Betrieben besser zu erfassen und dauerhaft zu senken:

• Das derzeit ausschließlich für den Bereich der Tiermast geltende Konzept soll künftig auch Betriebe mit Milchkühen, Jung- und Legehennen, Sauen mit Saugferkeln und mit Kälbern, die im Haltungsbetrieb geboren sind, in die nationalen Vorschriften zur Antibiotika-Minimierung einbeziehen. Die Antibiotika-Anwendung soll bei Betrieben mit diesen Nutzungsarten erfasst und systematisch reduziert werden.

• Die zuständigen Überwachungsbehörden werden gestärkt. Neu ist: Die Behörden vor Ort sind künftig gesetzlich verpflichtet, Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, wenn dies zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in einem tierhaltenden Betrieb erforderlich ist.

• Für Colistin, Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation wird ein Wichtungsfaktor (1) in das Antibiotika-Minimierungskonzept aufgenommen. Für Tierärzte und Tierhalter wird damit das Signal gesetzt, die Anwendung dieser Antibiotika mit kritischer Bedeutung auf das unvermeidbare Minimum zu reduzieren.

Mit dem Gesetzentwurf werden zudem Regelungen zur Durchführung von EU-Recht erlassen. Demnach müssen Mitgliedstaaten ab 2024 jährlich umfassende Daten zur Anwendung von Antibiotika bei Tieren an die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) übermitteln.

Um der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen („Stille Pandemie“) entgegenzuwirken, sind angesichts der grenzüberschreitenden Problematik neben nationalen auch europäische Vorschriften dringend notwendig. Das BMEL setzt sich deshalb aktuell auf EU-Ebene dafür ein, dass ausstehende Regelungen schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, die weitere europaweite Restriktionen für die Antibiotika-Anwendung bei Tieren vorsehen.

Eine nachhaltige Reduktion der Antibiotika-Anwendung bei Tieren kann jedoch nicht allein mit tierarzneimittelrechtlichen Regelungen erreicht werden. Grundsätzlich braucht es eine artgerechtere und damit auch nachhaltigere Tierhaltung. Deshalb treibt das Bundeslandwirtschaftsministerium den Umbau der Tierhaltung voran, die der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland eine langfristige und verlässliche wirtschaftliche Perspektive bietet, Aspekte des Tier- und Klimaschutzes berücksichtigt sowie mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher schafft.

Hintergrund:
Mit dem Tierarzneimittelgesetz (TAMG) gilt seit dem 28. Januar 2022 in Deutschland ein eigenständiges Tierarzneimittelrecht. Das derzeit geltende nationale TAMG enthält Vorschriften zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel und führt das nationale Antibiotikaminimierungskonzept der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes aus dem Jahr 2014 unverändert fort. Daher besteht Anpassungsbedarf bei den Vorschriften zur Antibiotikaminimierung. Außerdem müssen Vorschriften erlassen werden für die nach dem EU-Recht erforderliche Antibiotikadatenerfassung.

Die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel enthält wichtige Regelungen für die Antibiotika-Anwendung bei Tieren:

• Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren wird demnach weiter eingeschränkt, z.B. indem die prophylaktische Anwendung von Antibiotika bei Tiergruppen verboten wird.

• Außerdem wird die Zulassung und Anwendung von solchen Antibiotika bei Tieren untersagt, deren antimikrobielle Wirkstoffe der Behandlung bakterieller Infektionen beim Menschen vorbehalten bleiben müssen. Die Liste dieser Antibiotika ist im Ständigen Tierarzneimittelausschuss am 4. Juli 2022 mehrheitlich angenommen worden.

Quelle: BMEL

(1) Faktor der in die Rechenformel zur betrieblichen Therapiehäufigkeit integriert wird, um die tatsächliche Potenz der einzelnen Wirkstoffe abzubilden.

Städtische Landwirtschaft kann Bienengemeinschaften in tropischen Megastädten fördern

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Urbanisierung stellt eine der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt dar. Wie genau sie sich auf die biologische Vielfalt und die Ökosystemdienstleistungen in tropischen Regionen des globalen Südens auswirkt, ist aber noch unklar. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universitäten Göttingen und Hohenheim hat nun gemeinsam mit der University of Agricultural Sciences of Bangalore in Indien die Auswirkungen der Urbanisierung auf Bienengemeinschaften in kleinbäuerlichen Betrieben in und um Bangalore untersucht – einer südindischen Stadt mit mehr als 13 Millionen Einwohnern.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass soziale Bienen, zum Beispiel wilde Honigbienen, stärker von der Urbanisierung betroffen waren als große Solitärbienen oder solche, die in Höhlen nisten, was im Widerspruch zu Ergebnissen aus gemäßigten Regionen steht. Einheimische blühende Pflanzen in der Nähe von Ackerland und eine Diversifizierung des Anbaus könnten dazu beitragen, soziale Bienenvölker zu erhalten. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Ecological Applications veröffentlicht.

In einer umfassenden Feldstudie über Bienen auf Gemüsefarmen in ländlicher und städtischer Umgebung erfassten die Forscherinnen und Forscher mehr als 26.000 einzelne Bienen, die zu 40 Arten gehören. Durch die Kombination der Daten mit der Fernerkundung per Satellit konnten sie feststellen, wie sich der Anteil versiegelter Flächen und Gebäude in Ballungsgebieten auf die Bienengemeinschaften auswirkt. Sie analysierten auch, wie die Bienenarten auf die Umgebungen reagierten, indem sie Bienen verglichen, die verschiedene Nistplätze nutzen und sich in ihrer Sozialität und Mobilität unterscheiden.

„Wir konnten nachweisen, dass die Art und Weise, wie die Bienen auf die Urbanisierung reagierten, von bestimmten Merkmalen abhing“, sagt Erstautor Gabriel Marcacci, Doktorand in der Arbeitsgruppe Funktionale Agrobiodiversität an der Universität Göttingen. „Zum Beispiel haben Bienen, die in Höhlen nisten, tatsächlich von der Urbanisierung profitiert, da sie in kleinen Rissen und Höhlen an Gebäuden nisten können. Außerdem haben wir herausgefunden, dass bodenbrütende Bienen, die normalerweise als Verlierer der Urbanisierung gelten, in tropischen Megastädten reichlich Nistmöglichkeiten finden, weil noch genügend nackter Boden vorhanden ist, vor allem in den weniger entwickelten Vierteln.“

„Unsere Ergebnisse unterscheiden sich zum Teil von dem, was in Städten in gemäßigten Regionen häufig zu finden ist“, erklärt Prof. Dr. Ingo Grass von der Universität Hohenheim. „Das zeigt, dass wir aus Feldstudien in Deutschland oder anderen Ländern des globalen Nordens nicht verallgemeinern können.“ Ein weiteres Ergebnis ist der starke Rückgang der sozialen Bienen mit der Verstädterung. „Dies ist besonders besorgniserregend, da in den Tropen soziale Bienen – wilde Honigbienen und stachellose Bienen – große Völker bilden und für die Bestäubung von Nutzpflanzen unerlässlich sind“, ergänzt der Göttinger Agrarökologe Prof. Dr. Teja Tscharntke.

Die Studie zeigt auch die positiven Auswirkungen auf Bienengemeinschaften durch landwirtschaftliche Bewirtschaftungspraktiken wie die Diversifizierung der Kulturen oder das Vorhandensein einheimischer Wildpflanzen in und um die Gemüsefelder. Prof. Dr. Catrin Westphal, Leiterin der Arbeitsgruppe Funktionale Agrobiodiversität der Universität Göttingen, fasst zusammen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die urbane Landwirtschaft Bienengemeinschaften fördern kann, wenn sie auf nachhaltige Weise bewirtschaftet wird, und dass sie den Schutz von Wildbienen und die Nahrungsmittelproduktion in und um Städte herum unterstützen könnte.“

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen

Mit erkrankten und verletzten Nutztieren tierschutzgerecht umgehen

Merkblatt und Leitfaden sind online abrufbar – Zielgruppe sind Tierhalter und Behörden

Die Projektgruppe „Schlachten und Töten“ der „Niedersächsischen Nutztierstrategie – Tierschutzplan 4.0″ hat ein neues Merkblatt veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht Material, das in Schulungen mit dem Ziel der Sachkunde in Bezug auf das Töten von moribunden (also verendenden) Tieren im landwirtschaftlichen Betrieb verwendet wird. Die Zusammenstellung umfasst Mindeststandards für Schulungsinhalte hinsichtlich des Nottötens von landwirtschaftlichen Nutztieren. Die Dokumente beinhalten Rechtsgrundlagen sowie tierartübergreifende und tierartspezifische Inhalte zur Ruhigstellung und Betäubung von Rindern, Schweinen und Geflügel. Die Übersicht kann vor allem für Schulungsanbieter, aber auch für Tierhalter und deren Mitarbeiter in landwirtschaftlichen Betrieben sowie für Hoftierärzte und landwirtschaftliche Berater eine Hilfestellung sein.

Auch die „Arbeitsgruppe Schwein“ der „Niedersächsischen Nutztierstrategie – Tierschutzplan 4.0″ hat sich intensiv mit der Frage des tierschutzgerechten Umgangs mit erkrankten und verletzten Schweinen beschäftigt und einen Leitfaden für einen tierschutzgerechten Umgang mit erkrankten und verletzten Schweinen erstellt. Erfahrungen aus der Praxis und Erkenntnisse aus der Wissenschaft zeigen, dass der tierschutzgerechte Umgang mit erkrankten und verletzten Schweinen für Tierhalter eine Herausforderung darstellt.

Der Leitfaden bietet sowohl Tierhaltern als auch zuständigen Behörden eine Hilfestellung, indem er Mindestanforderungen, zum Beispiel an die Tierbeobachtung und Tierbetreuung, aber auch an die Ausgestaltung und das Management von Krankenbuchten formuliert. Er stellt damit eine wichtige Ergänzung zu den Schulungsmaterialien eines vom Landwirtschaftsministerium geförderten Projektes für den korrekten Umgang mit schwer erkrankten und verletzten Schweinen in Bezug auf den richtigen Zeitpunkt für eine Nottötung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover dar.
Ein im Leitfaden enthaltener Entscheidungswegweiser beschreibt dabei das Vorgehen, anhand dessen entschieden wird, ob und wann die Unterbringung des Tieres in einer Krankenbucht, die medizinische Behandlung und ggf. die unverzügliche Tötung des Tieres erforderlich ist. Darüber hinaus wird anhand von Bildern im Rahmen einer Ampeltabelle beispielhaft gezeigt, welche Maßnahmen der Tierhalter im konkreten Einzelfall zu ergreifen hat.

Beide Dokumente sind online abrufbar: Merkblatt und Leitfaden

Quelle: Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

ASP im Emsland: Ferkel dürfen in der Sperrzone verbracht werden

Landwirtschaftsministerium konkretisiert Ausnahmen – Eintragsursache des Virus weiter unklar

Im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im Landkreis Emsland macht das Landwirtschaftsministerium (ML) darauf aufmerksam, dass das Verbringen von Ferkeln aus der Überwachungszone in andere Betriebe innerhalb der Überwachungszone mit behördlicher Genehmigung möglich ist. Einen entsprechenden Erlass hat das ML an die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim übermittelt. Wöchentlich erlangen dort zirka 3.000 Ferkel die Marktreife. Der Erlass konkretisiert, dass unter Beachtung bestimmter tierseuchenrechtlicher Anforderungen Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbringungsverbot möglich sind. So können Transporte von Schweinen zwecks Durchlaufen des Produktionszyklus aus einem Betrieb in der Überwachungszone in einen anderen Betrieb in der Überwachungszone von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Voraussetzung ist unter anderem, dass sich der Bestimmungsbetrieb innerhalb derselben Lieferkette befindet.

Unterdessen laufen die Ermittlungen weiter, um die Eintragsursache zu finden. Die Ursache ist noch unbekannt. Das Ergebnis der so genannten Genomsequenzierung des in Emsbüren gefundenen ASP-Erregers steht noch aus.

Das ML führt derzeit Gespräche mit der Schlachtbranche sowie mit Verbänden, Verarbeitern, Landvolk und ISN. Ziel ist es, für die Dauer der Sperre bis 14. Oktober 2022 den Tierschutz sicher zu stellen. In den beiden von der Sperrung der EU-Kommission betroffenen Zonen befinden sich rund 200.000 Schweine, die in den kommenden Wochen Schlachtreife erlangen werden. Rechtlich stehen die Voraussetzungen fest: Sofern sich die Tierhalter und die Schlachtbetriebe über die Umsetzung der Rahmenbedingungen verständigt haben (wirtschaftsseitige Absprache) kann unmittelbar mit dem Verbringen begonnen werden. In den Gesprächen wird derzeit erörtert, welche Schlachthöfe in Frage kommen und wie eine mögliche weitere Verarbeitung des Fleisches aussehen kann. Dazu die Erläuterung: Das Fleisch muss laut Verordnung vor dem Inverkehrbringen hitzebehandelt werden. Alternativ sind auch noch andere Verfahren wie Salzen und Reifen unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Nach der risikomindernden Behandlung ist eine uneingeschränkte Vermarktung nach EU-Recht möglich.

Hintergrund:
Die Infektion mit ASP führt sowohl bei Haus- als auch bei Wildschweinen zu einer schweren Erkrankung, die fast immer tödlich ist. Eine Impfung der Schweine gegen die Afrikanische Schweinepest ist derzeit noch nicht möglich. Seit 2007 hatte sich die ASP in Osteuropa verbreitet. 2020 wurden kranken Wildschweine erstmals auch in Deutschland festgestellt. Mitte Juli 2021 wurde die Krankheit erstmals auch in einem Schweinemastbetrieb in Deutschland registriert. Fälle bei Haus- und Wildschweinen sind bislang in Brandenburg, Baden-Württemberg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen aufgetreten. In Niedersachsen arbeiten die kommunalen Veterinärbehörden (Veterinärämter auf Landkreisebene), die Task-Force Veterinärwesen des LAVES und das Landwirtschaftsministerium in der Prävention sowie bei der Bekämpfung des aktuellen Ausbruchs ASP-Ausbruch eng zusammen.

Quelle: Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz