Der Verdrängungswettbewerb in der Schlacht- und Fleischverarbeitungsindustrie hielt im abgelaufenen Jahr unvermindert an und hinterlässt Spuren. Nicht jeder Name des Vorjahres-Rankings findet sich 2017 wieder. Dementsprechend konnten andere Unternehmen die Zahl der Schlachthaken erweitern bzw. intensiver nutzen und die Plätze besetzen. Die ISN hat bei den Schlachtunternehmen die neuesten Entwicklungen und Trends abgefragt und im bekannten ISN-Schlachthofranking zusammengefasst.
Platz 1: Tönnies investiert in Wurstherstellung
Der Marktführer konnte seine Position bezogen auf die Anzahl der geschlachteten Schweine im vergangenen Jahr ausbauen. Dieses ist insbesondere auf den Ausbau des Standortes in Schleswig-Holstein zurückzuführen. Der Schlachthof in Kellinghusen wird Schritt für Schritt modernisiert und die Kapazitäten sollen auf jährlich 1,7 Mio. Schweine aufgestockt werden. Deutlich stärker als in zusätzliche Schlachthaken investierte Tönnies im vergangenen Jahr in die Verarbeitungskapazitäten.
Gerade im ersten Halbjahr hat eine regelrechte Insolvenzwelle, ausgelöst durch gestiegene Rohstoffpreise, die Wurstindustrie überrollt. Ein Nutznießer war Tönnies, der u.a. die Lutz-Fleischwaren sowie die Unternehmen Astro und Marten übernehmen konnte. Auch der Streit der Eigentümerfamilien konnte im vergangenen Jahr mit einer Neustrukturierung der Gesellschaften und der Unternehmensführung beigelegt werden.
Platz 2: Vion konzentriert sich auf wirtschaftliche Standorte
Das Unternehmen Vion konnte die Schlachtzahlen aus dem Vorjahr nicht halten. Hauptgrund für den Rückgang dürfte die Schließung des Standortes im niedersächsischen Zeven im April 2017 gewesen sein. Der Druck auf dem hart umkämpften Fleischmarkt sei zu hoch, um diesen Standort wirtschaftlich zu betreiben, hieß es seinerzeit. Stattdessen soll der Standort in Emstek, der über die Exportlizenz nach China verfügt, auf
80.000 Schweine/Woche ausgebaut werden. Hinsichtlich der Preis- und Bezahlmodelle könnte Vion in Deutschland bald neue Wege gehen. In den Niederlanden werden bereits über Verträge deutlich breitere Preismasken sowie längerfristige Abrechnungspreise angeboten, um das Anlieferverhalten der Landwirte zu glätten und die Gesamtwirtschaftlichkeit für beide Parteien zu erhöhen. Ob diese Programme auch in Deutschland eingeführt werden, dürfte sich in 2018 zeigen.
Platz 3: Westfleisch auf Expansionskurs
Die westfälische Genossenschaft sieht sich durch den Geschäftsverlauf
2017 auf einem durchweg positiven Weg. Gerade in der genossenschaftlichen Struktur und damit der Nähe zur Landwirtschaft sehen die Westfalen einen Vorteil, der gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und damit dem Verbraucher kommuniziert werden kann. Für die Zukunft stehen die Zeichen dementsprechend weiter auf Wachstum. Insbesondere die Kapazitäten in Oer-Erkenschwick sollen nach den Westfleisch-Plänen auf ca. 100.000 Schweine/Woche erhöht werden.
Mittelstand: Positive Entwicklungen
Auf den Plätzen 4-10 gibt es, gemessen an den Stückzahlen, durchweg positive Entwicklungen. Angesichts des rückläufigen Gesamtmarktes sind diese Ergebnisse durchaus überraschend. Allerdings zeigen die Zahlen nicht die ganze Wahrheit, da mit der Insolvenz der Vogler-Unternehmensgruppe der fünftgrößte Schlachtbetrieb im vergangenen Jahr aus dem Markt und damit aus dem Ranking ausschied. Die Kapazitäten in Steine und Bremen stehen bis heute still, wodurch die übrigen Unternehmen, insbesondere in Norddeutschland profitieren konnten. Mit besonders hohen Wachstumszahlen stechen Danish Crown und die Willms Gruppe (ehemals Düringer Fleischkontor) heraus. Danish Crown konnte mit der Übernahme der Teterower Fleisch GmbH die Schweine- und Rinderschlachtungen in Deutschland erheblich steigern. Die Willms-Gruppe übernahm nach der Mehrheitsbeteiligung am Düringer Fleischkontor im vergangenen Jahr auch den Bochumer Fleischhandel mit einer Schlachtkapazität von ca. 400.000 Schweinen/Jahr.
Ausblick: Branche vor Strukturkrise – Haltungskennzeichnung als Antwort?
Die gesamte Schweinefleischbranche sieht sich aktuell massiven Herausforderungen gegenüber, die auch die Schlachtunternehmen im Speziellen treffen werden. Hinsichtlich des Ausstiegs aus der betäubungslosen Ferkelkastration Ende 2018 fehlt noch immer eine praktikable Lösung, die die Wirtschaftlichkeit gegenüber den Nachbarländern nicht gefährdet und gleichzeitig eine breite Akzeptanz im Fleischmarkt hat. Eine noch größere Bedrohung wird von vielen Unternehmen in der Afrikanischen Schweinepest gesehen, die nur wenige hundert Kilometer vor der deutschen Grenze in Polen und Tschechien grassiert. Sollte das Virus auch in Deutschland auftreten, könnten die Fleischunternehmen die Exportlizenz für viele Drittlandstaaten zumindest für einen gewissen Zeitraum verlieren, mit erheblichen finanziellen Einbußen. Hier ist die Politik gefragt, in den Veterinärzertifikaten mit den Abnehmerländern die notwendigen Unterscheidungen zwischen dem Auftreten in Haus- und Wildschweinebeständen zu verhandeln.
Nicht zuletzt zeigen die Insolvenzen des vergangenen Jahres, wie stark die enormen Preisschwankungen die Liquidität aller Betriebe der Wertschöpfungskette belasten. „Vor dem Hintergrund der zahlreichen Herausforderungen in Deutschland und dem stetig zunehmenden Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen EU-Staaten zeigen sich viele Marktbeteiligte durchaus offen gegenüber den Diskussionen über eine Haltungskennzeichnung in Deutschland“, so die Einschätzung von ISN-Marktexperte Matthias Quaing. „Zu vermeiden ist ein Label-Wirrwarr.
Wenn es jedoch gelingt, die gesamte Kette, vom Ferkelerzeuger bis zur Fleischverarbeitung, in ein einheitliches System zur Haltungs- und Herkunftskennzeichnung zu integrieren, könnte das mittelfristig ein Bonus im Vertrauen der Lebensmittelhändler und Verbraucher in deutsches Schweinefleisch bedeuten“ appelliert Quaing an eine ganzheitliche und für die Branche machbare Umsetzung von möglichen staatlichen Programmen.
Quelle: ISN