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Der Verdrängungswettbewerb in der Schlacht- und Fleischverarbeitungsindustrie hielt im abgelaufenen Jahr unvermindert an und hinterlässt Spuren. Nicht jeder Name des Vorjahres-Rankings findet sich 2017 wieder. Dementsprechend konnten andere Unternehmen die Zahl der Schlachthaken erweitern bzw. intensiver nutzen und die Plätze besetzen. Die ISN hat bei den Schlachtunternehmen die neuesten Entwicklungen und Trends abgefragt und im bekannten ISN-Schlachthofranking zusammengefasst.

Platz 1: Tönnies investiert in Wurstherstellung

Der Marktführer konnte seine Position bezogen auf die Anzahl der geschlachteten Schweine im vergangenen Jahr ausbauen. Dieses ist insbesondere auf den Ausbau des Standortes in Schleswig-Holstein zurückzuführen. Der Schlachthof in Kellinghusen wird Schritt für Schritt modernisiert und die Kapazitäten sollen auf jährlich 1,7 Mio. Schweine aufgestockt werden. Deutlich stärker als in zusätzliche Schlachthaken investierte Tönnies im vergangenen Jahr in die Verarbeitungskapazitäten.
Gerade im ersten Halbjahr hat eine regelrechte Insolvenzwelle, ausgelöst durch gestiegene Rohstoffpreise, die Wurstindustrie überrollt. Ein Nutznießer war Tönnies, der u.a. die Lutz-Fleischwaren sowie die Unternehmen Astro und Marten übernehmen konnte. Auch der Streit der Eigentümerfamilien konnte im vergangenen Jahr mit einer Neustrukturierung der Gesellschaften und der Unternehmensführung beigelegt werden.

Platz 2: Vion konzentriert sich auf wirtschaftliche Standorte

Das Unternehmen Vion konnte die Schlachtzahlen aus dem Vorjahr nicht halten. Hauptgrund für den Rückgang dürfte die Schließung des Standortes im niedersächsischen Zeven im April 2017 gewesen sein. Der Druck auf dem hart umkämpften Fleischmarkt sei zu hoch, um diesen Standort wirtschaftlich zu betreiben, hieß es seinerzeit. Stattdessen soll der Standort in Emstek, der über die Exportlizenz nach China verfügt, auf
80.000 Schweine/Woche ausgebaut werden. Hinsichtlich der Preis- und Bezahlmodelle könnte Vion in Deutschland bald neue Wege gehen. In den Niederlanden werden bereits über Verträge deutlich breitere Preismasken sowie längerfristige Abrechnungspreise angeboten, um das Anlieferverhalten der Landwirte zu glätten und die Gesamtwirtschaftlichkeit für beide Parteien zu erhöhen. Ob diese Programme auch in Deutschland eingeführt werden, dürfte sich in 2018 zeigen.

Platz 3: Westfleisch auf Expansionskurs

Die westfälische Genossenschaft sieht sich durch den Geschäftsverlauf
2017 auf einem durchweg positiven Weg. Gerade in der genossenschaftlichen Struktur und damit der Nähe zur Landwirtschaft sehen die Westfalen einen Vorteil, der gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und damit dem Verbraucher kommuniziert werden kann. Für die Zukunft stehen die Zeichen dementsprechend weiter auf Wachstum. Insbesondere die Kapazitäten in Oer-Erkenschwick sollen nach den Westfleisch-Plänen auf ca. 100.000 Schweine/Woche erhöht werden.

Mittelstand: Positive Entwicklungen

Auf den Plätzen 4-10 gibt es, gemessen an den Stückzahlen, durchweg positive Entwicklungen. Angesichts des rückläufigen Gesamtmarktes sind diese Ergebnisse durchaus überraschend. Allerdings zeigen die Zahlen nicht die ganze Wahrheit, da mit der Insolvenz der Vogler-Unternehmensgruppe der fünftgrößte Schlachtbetrieb im vergangenen Jahr aus dem Markt und damit aus dem Ranking ausschied. Die Kapazitäten in Steine und Bremen stehen bis heute still, wodurch die übrigen Unternehmen, insbesondere in Norddeutschland profitieren konnten. Mit besonders hohen Wachstumszahlen stechen Danish Crown und die Willms Gruppe (ehemals Düringer Fleischkontor) heraus. Danish Crown konnte mit der Übernahme der Teterower Fleisch GmbH die Schweine- und Rinderschlachtungen in Deutschland erheblich steigern. Die Willms-Gruppe übernahm nach der Mehrheitsbeteiligung am Düringer Fleischkontor im vergangenen Jahr auch den Bochumer Fleischhandel mit einer Schlachtkapazität von ca. 400.000 Schweinen/Jahr.

Ausblick: Branche vor Strukturkrise – Haltungskennzeichnung als Antwort?

Die gesamte Schweinefleischbranche sieht sich aktuell massiven Herausforderungen gegenüber, die auch die Schlachtunternehmen im Speziellen treffen werden. Hinsichtlich des Ausstiegs aus der betäubungslosen Ferkelkastration Ende 2018 fehlt noch immer eine praktikable Lösung, die die Wirtschaftlichkeit gegenüber den Nachbarländern nicht gefährdet und gleichzeitig eine breite Akzeptanz im Fleischmarkt hat. Eine noch größere Bedrohung wird von vielen Unternehmen in der Afrikanischen Schweinepest gesehen, die nur wenige hundert Kilometer vor der deutschen Grenze in Polen und Tschechien grassiert. Sollte das Virus auch in Deutschland auftreten, könnten die Fleischunternehmen die Exportlizenz für viele Drittlandstaaten zumindest für einen gewissen Zeitraum verlieren, mit erheblichen finanziellen Einbußen. Hier ist die Politik gefragt, in den Veterinärzertifikaten mit den Abnehmerländern die notwendigen Unterscheidungen zwischen dem Auftreten in Haus- und Wildschweinebeständen zu verhandeln.

Nicht zuletzt zeigen die Insolvenzen des vergangenen Jahres, wie stark die enormen Preisschwankungen die Liquidität aller Betriebe der Wertschöpfungskette belasten. „Vor dem Hintergrund der zahlreichen Herausforderungen in Deutschland und dem stetig zunehmenden Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen EU-Staaten zeigen sich viele Marktbeteiligte durchaus offen gegenüber den Diskussionen über eine Haltungskennzeichnung in Deutschland“, so die Einschätzung von ISN-Marktexperte Matthias Quaing. „Zu vermeiden ist ein Label-Wirrwarr.
Wenn es jedoch gelingt, die gesamte Kette, vom Ferkelerzeuger bis zur Fleischverarbeitung, in ein einheitliches System zur Haltungs- und Herkunftskennzeichnung zu integrieren, könnte das mittelfristig ein Bonus im Vertrauen der Lebensmittelhändler und Verbraucher in deutsches Schweinefleisch bedeuten“ appelliert Quaing an eine ganzheitliche und für die Branche machbare Umsetzung von möglichen staatlichen Programmen.

Quelle: ISN

Gesundheitstränker – Neue Wege zur Antibiotika-Reduktion in der Schweiz

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Auch in der Schweiz ist Antibiotika-Reduktion in der Nutztierhaltung ein heißes Thema. In enger Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) hat der Schweizer Kälbergesundheitsdienst (KGD) ein spezielles Forschungsprogramm für die Kälbermast gestartet und vergleicht die Einstallung von „Gesundheitstränkern“ mit herkömmlich aufgezogenen Tränkern (Tränker = Kalb von ca. 75 kg ab Geburtsbetrieb).

Konkret geht es um die Optimierung von Haltung, Fütterung und um die Impfung des Kalbes in den ersten Lebenswochen, wie Dr. Corinne Bähler, Kälberspezialistin beim KGD, im Interview erläutert. Kolostrum-Versorgung, ad libitum Versorgung mit Milch, Selen- und Eisengaben sowie die Impfung gegen Rindergrippe bereits am 7. Lebenstag gehören zum Programm.

Die Faktorenkrankheit „Rindergrippe“ steht im Fokus und die Impfung auf dem Geburtsbetrieb stellt einen Teil der Untersuchungen dar. Ob die Impfung auf dem Geburtsbetrieb in der Praxis tatsächlich nur Vorteile bringt, ist eine der entscheidenden Fragen. Kommt ein Kalb etwa schon vor der Impfung in Kontakt mit den Erregern der Rindergrippe, kann die Krankheit durch die Impfung ausbrechen bzw. sich verschlimmern. In einem weiteren Projekt testet der KGD, wann der beste Zeitpunkt für die Erstimmunisierung sowie ob und wann Boostern nötig ist.

Die Gesundheitstränker laufen im Feldversuch bereits seit 18 Monaten, während die wissenschaftliche Begleitung vor einem halben Jahr startete. Hierbei wird jeweils ein Gesundheitstränker mit einem herkömmlich aufgezogenen Kalb vom gleichen Geburtsbetrieb verglichen. Die Ergebnisse der Studie sollen in etwa einem Jahr vorliegen.

Ganz entscheidend sei aber auch die wirtschaftliche Seite, betont die Tierärztin „Es muss Anreize bzw. einen Return-on-Investment für den Geburtsbetrieb sowie für den Mastbetrieb geben, wenn das System der Gesundheitstränker Erfolg haben soll.“

Während der Projektphase erhalten die Geburtsbetriebe CHF 70.- zusätzlich. Die Studie soll u.a. zeigen, ob diese Mehrkosten sich für den Züchter wie für den Mäster rechnen, denn in der schweizerischen Schweinebranche ist es heute schon üblich, dass die Impfkosten zwischen Zucht- und Mastbetrieben zu gleichen Teilen getragen werden.

Auch auf den Antibiotikaeinsatz generell geht Corinne Bähler im Gespräch ein: „Sie sind als Tierarzt ein Held, wenn Sie weniger Antibiotika verschreiben (müssen).“ Leicht nachvollziehbar, wenn Behandlungskosten von 20,- oder 30,- Franken einem Verkaufserlös von CHF 120,- pro Kalb gegenüberstehen.

Hier das komplette Interview mit Dr. Corinne Bähler:

Die neue AMI Markt Bilanz Milch 2018

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Der Milchmarkt hat sich 2017, bei zunächst reduziertem Rohstoffaufkommen, weiter erholt. Die Produktmärkte drifteten aber stark auseinander. Während sich Milchfett extrem verteuerte, blieb die Eiweißseite schwach. Die steigenden Erzeugerpreise brachten die Milchproduktion wieder auf Wachstumskurs.

Anfang 2018 hat ein weiterhin hohes Milchaufkommen den Marktverlauf bestimmt. Die Erzeugerpreise gaben im Zuge der Preisrückgänge an den Produktmärkten kräftig nach. Zudem verstärken sich wirtschaftliche wie auch politische Unsicherheiten. Auch die externen Forderungen an die Produktion nehmen zu. Wie geht es vor diesem Hintergrund weiter? Kann die Nachfrage das zusätzliche Angebot aufnehmen? Welche Rolle spielt dabei China?

Die AMI-Marktexperten haben zu diesen und vielen anderen Fragen ausführliche Fakten und Daten in der Markt Bilanz Milch 2018 zusammengestellt. Das Jahrbuch zeigt aktuelle Trends an den deutschen und europäischen Märkten sowie in wichtigen Drittländern auf. Zusätzlich veranschaulichen AMI Markt Charts die Zusammenhänge. Marktbeteiligte erhalten durch die Bewertung der Einflussfaktoren auf das Marktgeschehen eine solide Grundlage für ihre strategischen Entscheidungen.

Die aktuellen und umfassenden Daten beleuchten den nationalen und internationalen Milchmarkt. Dazu gehören Erzeugung, Außenhandel, die Marktversorgung und Verbrauch von Milch und Milchprodukten.

Über 260 Tabellen mit ausführlichen Zeitreihen bieten zudem umfangreiche Vergleichsmöglichkeiten mit den eigenen Unternehmens- und Branchendaten.

Die AMI Markt Bilanz Milch 2018 ist ab dem 17. April 2018. Die Buchausgabe im A5-Format hat 266 Seiten und kostet 207,60 EUR zzgl. 7 % MwSt. und Versand.

Mit dem „eBook plus“ als pdf-Dokument werden zusätzlich alle Kennzahlen zu Deutschland, der EU und wichtigen Drittländern als Excel-Tabellen bereitgestellt. Die digitale Ausgabe steht ab sofort zum Download zum Preis von 329,00 EUR zzgl. 19 % MwSt. zur Verfügung.

Quelle: AMI GmbH

Kuhflüsterer Joep Driessen verrät 5 wichtige Punkte für mehr Tierwohl und zufriedenere Landwirte

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Landwirte stehen vor großen Herausforderungen. Die Gesellschaft erwartet viel und die Gesetzgebung wird mehr. Heutzutage ist ein Bauer nicht nur jemand, der sich um Tiere kümmert, er ist mehr und mehr ein Unternehmer, der alles wissen muss. Ich bin davon überzeugt, dass wir viel tun können, um den Tierschutz zu verbessern und dem Landwirt das Leben zu erleichtern.

Zunächst sehe ich, dass es einen großen Fokus auf das Messen von Daten gibt, aber nicht auf praktische Lösungen. Eine Zunahme des Messens und der Daten von Sensoren geben uns einen schnelleren und besseren Einblick, was schief gehen könnte. Wir vergessen jedoch, dem Landwirt zu helfen, die zugrunde liegenden Probleme zu lösen. Praktisches Training ist hier der größte Gewinn. Es gibt kaum einen Beruf, der so wenig Aufmerksamkeit für eine kontinuierliche Ausbildung hat wie der Agrarsektor. Landwirte sollten häufiger neue Einsichten erhalten und praktische Lösungen teilen.

Als nächstes sollten wir meiner Meinung nach mehr Aufwand in die Prävention investieren. Als Tierarzt musste ich oft dieselben Krankheiten behandeln. Sehr unbefriedigend, da ich genau weiß wo die Ursachen liegen. Für mich ist es viel interessanter, sich darauf zu konzentrieren, wie wir Krankheiten vorbeugen können.

Schließlich glaube ich, dass Berater ein breiteres Verständnis von Faktoren außerhalb des eigenen Fachgebiets erlangen sollten. Futterberater sollten nicht nur die perfekte Ration kennen, sondern auch wissen, wie Management und Haltung die Futteraufnahme beeinflussen. Tierärzte und Hufpfleger sollten sich darüber im Klaren sein, wie man Krankheiten und Lahmheiten vorbeugen und nicht nur behandeln kann. Alle Berater sollten auch in der Lage sein, über die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Vorschläge zu sprechen. Ein Bauer muss wirtschaftlich arbeiten.

Wenn wir diese drei Ausgangspunkte beachten:
• Nicht nur Daten messen, sondern auch praktische Lösungen im Fokus haben;
• mehr Aufwand in die Prävention einbringen;
• ausgehen von einem breiten Blickwinkel, der Gesundheit, Management, Haltung, Fütterung und Wirtschaftlichkeit umfasst.

Es gibt 5 Themen, die uns helfen können, den Tierschutz und das Wohlergehen der Landwirte zu verbessern.

1. Die Kuhsignale erkennen
Beginne mit der Grundlage. Landwirte und ihre Mitarbeiter sollten in der Lage sein, alle Kuhsignale zu erkennen und verstehen, was diese Signale verursacht. Nur so können sie an der Prävention arbeiten. Ich glaube, dass es viel zu gewinnen gibt, wenn man praktische Ideen unter Landwirten austauschen kann. Nur so können wir sicher sein, dass Lösungen durchführbar sind und das das Wohlergehen der Landwirte verbessert wird. Ich sage immer: Bauern lernen von Bauern!

2. Stressfreier Umgang mit Tieren
Mit Vieh zu arbeiten ist gefährlich. Die Forschung zeigt, dass immer noch viele Unfälle passieren. Ein Teil dieser Unfälle kann verhindert werden, wenn Menschen vorhersehbar und stressfrei mit Kühen umgehen. Wir sehen auch, dass ein ruhiger Umgang die Lahmheit reduziert und somit die Milchproduktion erhöht. Es gibt einfache Techniken, von denen nur wenige wissen.

3. Aufzucht junger Bestände
Gut begonnen ist halb erledigt. Totgeborene Kälber sind ein ernstes Problem, für das Krankheitsprävention die einzige Lösung ist. Durchfall- und Hustenkälber kosten den Bauern ohnehin viel Zeit und Geld. Sie wollen keine beeinträchtigten Lungen und Därme. Kälber, die gesund bleiben, geben mehr Milch und leben länger als Milchkuh. Wir sehen, dass die Kosten für die Jungviehaufzucht auf einer gut geführten Farm etwa 3 Cent pro Liter Milch betragen, während sie auf einem schlecht bewirtschafteten Bauernhof 5 Cent betragen.

4. Fokus auf Futter
Pansen-Azidose ist der stille Killer unserer Kühe. Futter ist ein wichtiger Faktor, um Kühe gesund zu halten. Die Fütterung wird oft den Futterberatern überlassen, die eine ausgezeichnete Kenntnis der Futterqualität haben. Der Einfluss von Management und Haltung wird jedoch oft vergessen. Es wäre gut für Landwirte und Berater, sich zu diesen Themen zu schulen.

5. Fokus auf Menschensignale
Egal, wie viel Wissen Sie als Berater haben, Sie müssen die Signale der Menschen genauso gut erkennen. Nur dann können Sie die zugrunde liegenden Probleme entdecken, den Widerstand verfolgen und dem Landwirt helfen, nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Das Gleiche gilt für die Landwirte und Ihre Mitarbeiter. Es zeigt sich im Tierwohl und in der Arbeitseffizienz, wenn Sie Ihre Mitarbeiter auf das gleiche Niveau bringen.

Über CowSignals
CowSignals zielt darauf ab, das Wohlergehen der Milchkühe zu verbessern und die Arbeitszufriedenheit und das Einkommen der Bauern zu erhöhen. Wir bieten Milchbauern, Tierärzten, Futterberatern, Stalldesignern, Besamungsstationen und Hufpflegern praktische Schulungen an. Diesen Juni organisieren wir 4 offene Trainings:

19. Juni Stressfreier Umgang mit Tieren
20. Juni Jungviehsignale
21. Juni Fütterungssignale
22. Juni Menschensignale
Sprache: Englisch

Weitere Informationen gibt es hier.

Autor: Joep Driessen, Gründer von CowSignals

Wer Joep Driessen in Aktion sehen will, kann sich dieses Video ansehen. Vor ziemlich genau 10 Jahren waren wir mit ihm im Kuhstall.

Wie der Schutz vor BSE in Europa künftig gewährleistet werden kann

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Taumelnde Kühe, Angst vor Ansteckung beim Konsum von Rindfleisch – die Krise um die Gehirnkrankheit BSE, den sogenannten „Rinderwahn“, hielt um die Jahreswende 2000/2001 ganz Europa in Atem. Die europäische Kommission verbot daraufhin das Verfüttern von Tiermehl aus verarbeiteten Schlachtabfällen an Stalltiere. Damit wurde die Infektion mit den gefährlichen BSE-Erregern erfolgreich unterbunden – es traten kaum noch Fälle von Rinderwahn in Europa auf.

Doch Landwirte müssen bei der Aufzucht von Schlachttieren auf proteinreiches Kraftfutter nicht völlig verzichten: Denn bestimmte tierische Produkte – sogenannte verarbeitete tierische Proteine – dürfen dem Futter nach wie vor beigemischt werden oder wurden wieder zugelassen. So dürfen etwa Kälber bis zum Absetzalter mit Fischmehl gefüttert werden, ebenso ist Fischmehl zur Verfütterung an Schweine oder Hühner zulässig. Generell darf Tiermehl, das von Wiederkäuern stammt, nicht verfüttert werden. Weil die verschiedenen Futterarten aber oft in der gleichen Fabrik hergestellt werden, entsteht ein Risiko für Verunreinigungen — von bewussten illegalen Beimischungen in krimineller Absicht ganz abgesehen. „Es ist also notwendig, Kontrollen durchzuführen“, sagt Biochemiker Dr. Oliver Pötz vom NMI, „die selbst in kleinsten Spuren tierischen Proteins die Tierart erkennen können.“ Auch sollte die Methode beispielsweise Milch von Fleisch oder Blut unterscheiden können, denn Milchprodukte sind selbst im Rinderfutter durchaus erlaubt. Ideal wäre es, wenn man darüber hinaus auch die Menge der Verunreinigung bestimmen könnte. Denn nur so können Grenzwerte überprüft werden, die die EU-Kommission künftig festsetzen will.

Bisher in den Futtermittellaboren und Untersuchungsämtern eingesetzte Nachweisverfahren leisten all das nicht: Mit dem Mikroskop kann man nur recht grobe Verunreinigungen wie Knochensplitter oder Federn entdecken. Selbst moderne genetische Verfahren, bei denen die aus dem Futter extrahierte und vervielfältigte DNA analysiert wird, haben ihre Grenzen: Sie unterscheiden beispielsweise nicht zwischen Kuhmilch und Rindfleisch. „Man muss also auf die Analyse der Proteine setzen“, sagt Dr. Pötz. „Und da die Tiermehle hochverarbeitet sind, muss man mit Proteinbruchstücken arbeiten, sogenannten Peptiden.“

Pötz hat Erfahrung mit Peptidanalysen; seine Arbeitsgruppe am NMI und das von ihm gegründete Unternehmen Signatope setzen sie bisher zum Nachweis von Nebenwirkungen während der Medikamentenentwicklung ein. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Verbundprojekts „Animal-ID“ arbeiten sie zusammen mit zwei Berliner Partnern, dem Bundesinstitut für Risikobewertung sowie dem Institut für Produktqualität, daran, ihre Methoden auf die Analyse von Fleischprodukten und Futtermitteln zu erweitern. Eine erste Veröffentlichung dazu erschien jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Analytical Chemistry“ (Anal. Chem., 2018, 90 (6), pp 4135–4143).

Proben käuflicher Viehfutter-Produkte wurden von den Wissenschaftlern mit Tiermehlen verschiedener Herkunft gemischt und untersucht. Zunächst wurden die darin enthaltenen Proteine mithilfe des Enzyms Trypsin vorverdaut, um lösliche Peptide zu erhalten. Dann wurden Antikörper eingesetzt, die das NMI speziell entwickelt hat. Diese fischten vier Peptide aus potenziell gefährlichem Rindertiermehl gezielt aus der Mischung heraus. Anschließend wurde mit einer Kombination aus Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie die Menge der Zielpeptide zuverlässig bestimmt. „Wir erreichen jetzt eine Nachweisgrenze von einem Gramm Rindermehl in einem Kilo pflanzlichem Rinderfuttermittel“, versichert Andreas Steinhilber, Erstautor und Doktorand am NMI.

Doch beim Nachweis verbotener Rinderproteine soll es nicht bleiben. „Zurzeit erweitern wir die Methode, um für jede Tiermehlprobe die verwendeten Tierarten eindeutig nachzuweisen“, sagt Pötz. Mit dem gleichen Verfahren könnte in Zukunft auch festgestellt werden, ob beispielsweise Pferdefleisch in der Lasagne nicht-deklariert untergemischt wurde, wie 2013 geschehen. Die Firma Signatope soll das Verfahren zur Marktreife entwickeln und kommerziell verwerten.

Prof. Dr. Hugo Hämmerle, Leiter des NMI, hält die Arbeit für einen Meilenstein in der Lebensmittelsicherheit. „Allein in Deutschland fallen bei Schlachtungen jährlich zwei bis drei Millionen Tonnen Tiermehl als Nebenprodukt an“, erklärt er. „Das ist eine wertvolle Proteinquelle. Es wäre unverantwortlich, sie nicht zu verwerten. Aber es muss natürlich in einer für den Verbraucher sicheren Weise geschehen.“ Das neue Verfahren, das so rasch wie möglich Produzenten und Untersuchungsämtern zur Verfügung stehen soll, werde dabei „einen wichtigen Dienst an der Gesundheit der Bevölkerung“ leisten.

Die Förderung des Vorhabens „Animal-ID“ (FKZ: 28-1-65.037-14) erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.

Quelle: NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen

Barsche, Zander, Schnäpel und Forellen – erfolgreicher Probebetrieb in der neuen Aquakulturanlage

Vor rund zehn Jahren hat das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie seine Forschungsaktivitäten auf die Aquakultur ausgeweitet. Inzwischen nimmt die Fischgenetik einen bedeutenden Platz in den wissenschaftlichen Aktivitäten des Leibniz-Institutes ein. Im vergangenen Jahr wurde deshalb eine eigene Aquakulturanlage in Dummerstorf installiert.

„Seit Juli läuft in einem umgebauten Rinderstall erfolgreich der Probebetrieb, der die Arbeit unserer Forscher vor Ort erheblich erleichtern wird“, informierte heute Professor Klaus Wimmers, Vorstand am FBN. „Dafür wurden rund 200.000 Euro für den Umbau und in die moderne Aquarienanlage investiert.“

Dummerstorfer Wissenschaftler haben sich mit ihren Untersuchungen zur Stressresistenz von Regenbogenforellen und zur grundlegenden molekularbiologischen Analyse des Ostseeschnäpels weltweit einen Namen gemacht. Aktuell wird in einem großen Zander-Projekt unter Leitung von Privatdozent Dr. Tom Goldammer vom Institut für Genombiologie die Genetik des beliebten Speisefisches am FBN erstmals entschlüsselt. In Kooperation mit dem Institut für Fischerei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern sollen im Jahr 2020 erste Ergebnisse vorgelegt werden.

Wissenschaftler können flexibler arbeiten

Die Dummerstorfer Aquakulturanlage besteht aus drei separaten Strecken mit jeweils 1.700 Liter Fassungsvermögen, auf denen auch drei unterschiedliche Umweltbedingungen simuliert und verglichen werden können. Zu den drei geschlossenen Kreislaufsystemen gehören jeweils vier 200-Liter-Behälter und sechs 60-Liter-Behälter. Rund um die Uhr wird das Wasser mit Sauerstoff angereichert und von Fischabfallstoffen gereinigt. Die Süßwasserfische werden bei ca. 17 bis 20 Grad Celsius Wassertemperatur gehalten. Im Probebetrieb wurde insbesondere die Wassereinigung getestet, die reibungslos funktionieren muss. Die im Filtersystem enthaltenen Bakterien verwandeln giftige Fischabfälle wie Ammonium über die Zwischenstufe Nitrit zu Nitratsalzen und halten so das Wasser sauber.

Verantwortlich für die Testphase, bevor die eigentliche Forschungsarbeit am Zandergenom auch in der neuen Anlage startet, ist Dr. Ronald Brunner vom Institut für Genombiologie. „Wir werden auch künftig mit der weltweit einzigen experimentellen Aquakulturanlage im Produktionsmaßstab für Zander in Hohen Wangelin bei Waren/Müritz intensiv kooperieren. Allerdings können wir jetzt noch flexibler arbeiten“, so der Tierzuchtexperte. „Grundsätzlich simuliert unsere Anlage im kleinen Maßstab die gleichen Prozesse wie in der großen Anlage in Hohen Wangelin. Die kleineren Einheiten lassen sich schneller desinfizieren sowie neu besetzen und erlauben die vergleichende Untersuchung von Einflüssen verschiedener Umweltbedingungen auf die Fische. Unmittelbar vor Ort befinden sich außerdem Labor- und Büroräume zur Auswertung der Daten und Messergebnisse. Für den Bereich der Fischgenetik ist die neue Infrastruktur ein großer Gewinn“, erklärte Dr. Brunner.

Den Dummerstorfer Wissenschaftlern geht es vor allem darum, die ressourcenschonende und nachhaltige Aquakultur mit regionalen Fischarten zu stärken. Diese soll einen höheren Stellenwert als bisher in der Fischproduktion erhalten. Geschlossene Kreislaufanlagen zeichnen sich durch ihre Umweltfreundlichkeit und gute Wasserqualität aus. Somit sind keine Zusätze mit Antibiotika und anderen Medikamenten notwendig. „Der Verbraucher möchte nicht nur einen leckeren, sondern auch einen gesunden Fisch konsumieren“, so Brunner. Aktuell bevölkern 400 kleine Barsche, zwölf Schnäpel sowie zwei Forellen und zwei Zander die neue Anlage.

Quelle: Leibniz-Institut für Nutzierbiologie (FBN)

Bauernverbandspräsident Rukwied in Polen: Mehr EU-Mittel gegen die Afrikanische Schweinepest

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Foto: Gero Breloer/DBV

Noch immer grassiert die Afrikanische Schweinepest (ASP) in Polen und breitet sich weiter Richtung Westen aus. Auf Einladung des polnischen Landwirtschaftsministers Krzysztof Jurgiel trifft der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, die Präsidentin und Präsidenten der polnischen Bauernorganisationen, Teresa HAŁAS, Präsidentin NSZZ RI Solidarność, Lucjan CICHOSZ, Präsident ZZR – Zwiakzek Zawodowy Rolników OJCZYZN, Marian SIKORA, Präsident FBZPR – Federation of Agricultural Producers Union und Wiktor SZMULEWICZ, Präsident KRIR – National Council of Agricultural Chambers. Für eine effektivere Bekämpfung der Seuche fordert Rukwied, dringend mehr EU-Mittel in Osteuropa einzusetzen. „Wir müssen dieses Virus schnell in den Griff bekommen. Das ist auch eine Gemeinschaftsaufgabe zum Schutz der landwirtschaftlichen Strukturen. Das darf nicht am Geld scheitern“, so der DBV-Präsident.

Mit Blick auf die Neuordnung der Mittelfristigen Finanzplanung der EU fordert Bauernverbandspräsident Rukwied gegenüber dem polnischen Landwirtschaftsminister auf einen stabilen EU-Haushalt hinzuwirken: „Die Mitgliedstaaten müssen mehr Geld nach Brüssel überweisen. Nur ein stabiles Budget garantiert auch ein stabiles Europa“, erklärt Rukwied. Der DBV-Präsident sieht vor allem in der Stärkung der ländlichen Räume den Kitt, der ein stabiles, politisches Europa zusammenhält.

Quelle: Deutscher Bauernverband

Schweizer Migros verkauft ab 2020 nur noch Freilandeier

Die Schweizer Einzelhandelskette „Migros“ nimmt sämtliche Eier aus Bodenhaltung aus dem Sortiment und senkt gleichzeitig deren Preise. Vor 20 Jahren hatte Migros bereits Eier aus Käfighaltung aus dem Sortiment genommen. Das Unternehmen beschreibt seine Planung wie folgt:

„Bis spätestens 2020 soll sämtlichen Hennen, die für die Migros Eier legen, der Zugang zur Weide ermöglicht werden. Neben den Ställen mit Wintergarten (Aussenklimabereich) stehen den Hennen in der Freilandhaltung 2,5 m2 Weidefläche pro Tier zur Verfügung. Legehennen sind sehr aktive und neugierige Tiere. Das Picken und Scharren auf der Weide wirkt sich positiv auf ihr Wohlbefinden aus. Gemäß Umfragen legen die Konsumentinnen und Konsumenten bei den Eiern besonders großen Wert auf eine artgerechte Tierhaltung.

Mit der Auslistung der Bodenhaltungseier senkt die Migros auch das Preisniveau der Schweizer Freilandeier. Damit soll der preisaffinen Kundschaft Rechnung getragen werden. Mit dem Import-Freilandei von M-Budget wird die Migros außerdem weiterhin das günstigste Ei auf dem Schweizer Markt anbieten können. Beides ist möglich, weil die Migros die Mehrkosten selber trägt. Die Produzenten erhalten weiterhin dieselben Preise.

Die Umstellung bedarf jedoch einer langfristigen Planung, die den Produzenten genügend Zeit einräumt, ihre Betriebe entsprechend den Vorgaben zur Freilandhaltung anzupassen. Die Sortimentsumstellung erfolgt deshalb etappenweise nach Genossenschaft und ist bis Ende 2020 abgeschlossen.“

Quelle: Migros

Englische Landwirte „entsorgen“ Bullenkälber

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In England gehen 19% der Bullenkälber vom Milchbetrieb direkt zur Tierkörperbeseitigung, wie die englische Tageszeitung „The Guardian“ berichtet. Das Blatt beruft sich dabei auf offizielle Zahlen des “Agriculture and Horticulture Development Board (AHDB)”, da die Praxis in England nicht gesetzwidrig ist. Dieser „Entwicklungsausschusses für Landwirtschaft und Gartenbau“ schätzt demnach die Zahl der 2017 in englischen Milchbetrieben getöteten Bullenkälber auf 95.000. Speziell Holstein-Friesen, Jersey Rinder und Jersey-Kreuzungen sind betroffen.

Exakte Zahlen sind jedoch schwer zu ermitteln, da Landwirte Kälber, die innerhalb weniger Tage nach der Geburt getötet werden, nicht registrieren müssen. Ebenso wenig wie das Entsorgungsunternehmen, das häufig auch die Tötung auf dem Betrieb vornimmt.

Der „Guardian“ beziffert die Aufzuchtkosten auf bis zu £ 30 pro Kalb für den Herkunftsbetrieb, während die frühe Entsorgung oder (zu geringem Anteil) Verwertung als Hundefutter nur £9 koste. Der Verkaufserlös für Kälber liegt in England aktuell bei £25 bis £40.

Und auch in der Bio-Haltung werden Bullenkälber kurz nach der Geburt getötet. Die „Soil Association“, nach eigenen Angaben die „führende britische Mitgliedsorganisation, die sich für eine gesunde, humane und nachhaltige Ernährung, Landwirtschaft und Landnutzung einsetzt“, schreibt auf ihrer Website:

„Leider ist das Töten männlicher Milchkühe sowohl auf biologischen als auch auf nicht biologischen Milchviehbetrieben ein Problem, das jedoch ethische Bedenken aufwirft. Die Soil Association hat diese Praxis schon lange abgelehnt, und wir wollen das unnötige Abschlachten von männlichen Milchkälbern beenden.“

Den Hintergrund bilden die seit Jahren niedrigen Erlöse für Milch und der fehlende Markt für Kalbfleisch. Obwohl schon in den 1990er Jahren die Weißmast in England verboten wurde, assoziieren viele Verbraucher „Kalbfleisch“ immer noch mit dieser Art der Kälberhaltung.

Auch wurden von England im vergangenen Jahr überhaupt keine Kälber exportiert, nur 5.000 von Schottland sowie 20.000 von Nord-Irland.

Versuche einen Markt für „Rosé Kalb“ zu schaffen, hatten bisher wenig Erfolg. Immerhin haben jedoch einige der großen Lebensmittelketten, Co-op, Morrisons, Sainsburys und Waitrose, Aufzucht-Programme für Kälber ins Leben gerufen.

Auch zahlreiche Landwirte wenden sich von der Tötungspraxis ab und setzen vermehrt gesextes Sperma ein. Dessen Anteil stieg von 12,2 % im Jahr 2012 auf 17,9 % in 2017.

Weitere Informationen bei “Cattle Health and Welfare Group

Quelle: The Guardian

Geschlechtsbestimmung im Ei mittels Lichttest

Zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden sowie der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig ist ein technologischer Durchbruch bei der Geschlechterbestimmung in Hühnereiern gelungen. Dank der Spektroskopie lässt sich mit dem neuen Verfahren bereits am ersten Tag nach einer möglichen Befruchtung feststellen, ob in dem Ei eine Legehenne heranwächst oder ein männliches Tier. Mit dem neuen Verfahren sei es gelungen, ein kostengünstiges, schnelles und zuverlässiges Verfahren zu entwickeln, das das weltweit millionenfache Töten männlicher Eintagsküken überflüssig macht, meldet das Universitätsklinikum Dresden in einer Pressemitteilung.

Weiter heißt es: „Tausende männliche Küken werden täglich kurz nach dem Schlüpfen maschinell getötet. Der Grund: Sie sind für die Eierproduktion in der Massentierhaltung wertlos. Dieses Vorgehen birgt ethische Konflikte und steht im Widersprich zu geltenden Tierschutzgesetzen. Um diese Situation zu entschärfen ist ein kostengünstiges, schnelles und zuverlässiges Verfahren erforderlich, mit dem die Geschlechtsbestimmung am intakten und unversehrten Ei durchgeführt werden kann. Nach etwa fünfjähriger Forschung ist es jetzt zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden sowie der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig gelungen, eine Geräteanordnung zu entwickeln, mit dem das Kükentöten beendet werden kann. Damit ist es möglich, einen Punkt des kürzlich zwischen CDU/CSU und SPD unterzeichneten Koalitionsvertrag umzusetzen: Darin ist vereinbart worden, innerhalb von zwei Jahren das Töten männlicher Eintagsküken zu beenden.“

Bereits seit einigen Jahren arbeiten die Forschungsgruppen aus Dresden und Leipzig erfolgreich an der Geschlechtsbestimmung im Hühnerei. Die beiden Forschungsgruppen sind die Erfinder des spektroskopischen Sexens von Bruteiern. Bislang muss dazu ein etwa zehn Millimeter großes Loch in das Brutei eingebracht und auch anschließend wieder verschlossen werden. Obgleich die Methodik funktioniert, gilt das Öffnen und Schließen der Eier nach wie vor als Haupthindernis für die praktische Einführung der spektroskopischen Geschlechtsbestimmung in Großbrütereien. Vor wenigen Wochen gelang nun den Forschern ein entscheidender Durchbruch in der Weiterentwicklung der Methode, wodurch das Geschlecht nunmehr durch die unversehrte Eischale hindurch bestimmt werden kann. Das Ei muss also nicht mehr aufwändig geöffnet und folglich auch nicht mehr verschlossen werden.

Aufbauend auf den über mehrere Jahre gewonnenen Kenntnissen wissen die Forscher genau, wo und wie das Geschlecht im Ei codiert. Das ist die Grundlage dafür, die Spektroskopie so einzusetzen, dass sich das Geschlecht auch durch die intakte Eischale bestimmen lässt. Das Ei wird dazu etwa drei bis fünf Tage bebrütet. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das sogenannte embryonale Blutgefäßsystem gebildet, das man auch durch die Eischale bereits mit bloßem Auge erkennen kann. Für die Geschlechtsbestimmung wird nun ein bestimmter spektraler Teil des Lichtes genutzt. Dazu wird das Ei mit einer herkömmlichen Lichtquelle durchleuchtet. Das von den Blutgefäßen reflektierte und auch transmittierte Licht wird auf der Eischale aufgefangen und spektroskopisch analysiert. Da das Licht neben den geschlechtsrelevanten Informationen aus dem Blut auch Informationen zu anderen Inhaltsstoffen des Eies trägt, müssen verschiedene mathematische Filter- und Separationsverfahren kombiniert werden, um letztlich die gewünschten, zur Geschlechtsbestimmung verwendbaren Signale zu erhalten. Kein Ei gleicht dem anderen, und so stellt die größte Herausforderung dabei die Beherrschung der optischen Variabilität der Eischale dar. Sobald alle störenden Einflussfaktoren in den Spektren eliminiert sind, lässt sich anhand des Hämoglobinspektrums das Geschlecht erkennen.

Die spektroskopische Messung eines einzelnen Eies erfolgt innerhalb von wenigen Sekunden. Bereits unmittelbar danach können als „männlich“ identifizierte Bruteier ebenso wie unbefruchtete Eier aussortiert und einer weiteren Verwendung zugeführt werden. In den Laborversuchen haben die Forscher einfache und dadurch sehr preiswerte Spektrometer eingesetzt – ein wichtiger Aspekt für den wirtschaftlichen Praxiseinsatz in der Legehennenvermehrung, da allein in Deutschland rund 100 Millionen Bruteier pro Jahr untersucht werden müssen. Der praktischen Umsetzung der Geschlechtsbestimmung im Hühnerei, die das millionenfache Töten von männlichen Eintagsküken überflüssig macht, dürfte damit nichts mehr im Wege stehen. Umfangreiche Schutzrechte für die Methodik sind angemeldet beziehungsweise schon erteilt worden. Ziel der Forscher ist es, die Methodik rasch und effektiv für den Einsatz in der Brütereipraxis zu adaptieren, um damit einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung des Tierwohls in der Legehennenhaltung zu leisten.

Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden